Leichtathletik:Vor Rio schwemmt's Medaillen an

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So gut wie noch nie: Der Hochspringer Eike Onnen, der bei der EM Bronze gewann

(Foto: Chai v.d. Laage/imago)

16 Podestplätze bei der EM - läuft bei den deutschen Leichtathleten vor Olympia. Vor allem die Leistung eines Hochspringers verblüfft. Doch was sind die Erfolge wirklich wert?

Von Johannes Knuth, Amsterdam

Eike Onnen kam nicht so recht voran. Immer wieder unterbrach er seine Ausführungen im Bauch des Amsterdamer Olympiastadions, wo er gerade Bericht erstattete, warum er in diesen Tagen ein derart guter Hochspringer ist. Onnen nahm geduldig die Glückwünsche der deutschen Kollegen ab, die sich neben ihm durch die stickige Pressezone schoben. Was jetzt halt etwas länger dauerte, weil gerade die deutschen 4x400-Meter-Staffeln an der Reihe gewesen waren, die der Männer und der Frauen.

Onnen fragte also bei allen Kollegen Wohlbefinden und Resultat ab ("Und, wie war's bei Euch? Sechste?"), er spendete Trost ("Schade"), andere Mitstreiter zog er ein wenig auf. Er hatte ja etwas mehr zu bieten als die meisten, Platz drei mit 2,29 Metern, den er sich mit dem Briten Chris Baker teilte. "Wäre ja fast noch Silber geworden", sagte Onnen. Dafür hätte er die 2,29 nur nicht im zweiten Versuch überspringen müssen, sondern im ersten. "Aber darüber will ich jetzt nicht meckern, ich bin total happy", sagt er. Onnen, 33, musste ja eine Weile auf diese Zufriedenheit warten, in der er jetzt badete.

Die deutschen Leichtathleten haben am letzten Tag der Leichtathletik-EM in Amsterdam noch einmal das Können sämtlicher Abteilungen ausgestellt. Da waren die Jungen, bei denen Hindernisläuferin Gesa-Felicitas Krause sich ihren ersten internationalen Titel bei den Senioren sicherte, beinahe in deutscher Rekordzeit (9:18,85 Minuten). Da waren die Konstanten wie David Storl, der an seine EM-Titel von Helsinki und Zürich nun den dritten in Amsterdam knüpfte, mit 21,31 Metern. Die Zuverlässigen wie Richard Ringer, der über 5000 Meter schon manche Meisterschaft in der Nachbarschaft des Podiums verbracht hatte und nun für seine Beharrlichkeit mit Bronze entlohnt wurde (13:40,85 min).

Es war gar nicht so einfach, einen Mitarbeiter des Tages ausfindig zu machen, was sowieso kniffelig ist bei einer EM, bei der für den deutschen Verband 16 Medaillen angeschwemmt wurden. Die überzeugendste Bewerbung legte am Ende Onnen vor, Urheber eines dritten Platzes im Hochsprung. Weil er vor knapp zwei Jahren, mit 32, noch einmal einen Neuanfang gewagt hatte, wenn viele Athleten ihre Karrieren austrudeln lassen. Die Bronzemedaille vom Sonntag war seine erste internationale Plakette bei den Erwachsenen.

Nicht alle Athleten halten durch, wenn sie ihr Sport enttäuscht

Manchmal wird einem die Sache zu viel, die einem am nächsten liegt, dann muss man Abstand gewinnen. Bei Onnen stellte sich dieses Gefühl vor drei Jahren ein. Seine beste Saison lag damals fünf Jahre zurück, 2007 hatte er seine bis heute gültige Bestmarke erschaffen (2,34 Meter), das befähigt einen eigentlich für höhere Weihen. Aber in diese exklusiven Zirkel kam Onnen nie so recht rein. Er reichte 2008 die Norm für Olympia in Peking ein, dann verletzte er sich am Fuß. Bei der WM 2011 wurde er 15., ein Jahr später Zehnter bei der EM in Helsinki. 2012 wurde er mal wieder deutscher Meister, bei den Sommerspielen in London war er aber nicht dabei, keine Norm. Er begann ein Bachelor-Studium an der niedersächsischen Polizeiakademie, sprang nur noch selten, und wenn er sprang, dann kam er nicht mehr in die Nähe seiner gewohnten Flughöhe.

Nicht alle halten durch, wenn sie ihr Sport enttäuscht. Raul Spank zum Beispiel, Dritter der WM 2009, ausgestattet mit einer Bestleistung von 2,33 Metern. Er ist im vergangenen Jahr zum Dreisprung weitergezogen, am Wochenende verpasste er seine letzte Chance, die Norm für Rio zu erreichen. Und Onnen? "Ans Aufhören habe ich eigentlich nie gedacht", sagte er in Amsterdam, im Gegenteil. "Ich habe während des Studiums gemerkt, dass mir doch etwas gefehlt hat".

Hochspringer Onnen denkt nicht ans Aufhören

Onnen begriff seine zweijährige Teilzeit-Pause als Vorteil. "Ich konnte noch mal neu an den Hochsprung herangehen", sagt er. Er baute seine Technik neu zusammen, erst mit Trockenübungen, dann mit einem neuen Anlauf, "dadurch ist alles ein wenig konstanter geworden", findet er. Er engagierte eine Turntrainerin, um beweglich (und gesund) zu bleiben, eine Sportpsychologin, diese Komponente hatte er zuvor ein wenig vernachlässigt. "Der Kopf ist lockerer", sagt Onnen, "es macht wieder Spaß zu springen." Im vergangenen Jahr reichte das schon wieder für 2,32 Meter und Platz zwölf bei der WM in Peking. "In dieser Form hätte ich das nicht erwartet", sagte Bundestrainerin Brigitte Kurschilgen damals. Und jetzt?

Nach den Spielen in Rio, für die sich Onnen längst qualifiziert hat, will er sich zum Heilpraktiker ausbilden lassen. Interessiert ihn doch etwas mehr als die Polizei. Man spürt die große Sicherheit, mit der er seinen Sport mittlerweile ausübt, Mutter Astrid trainiert ihn noch immer, "die meisten Fehler fallen mir mittlerweile aber eigentlich selbst auf", sagt er. 2016 soll das beste Jahr seiner Karriere werden, erst einmal. "Ich habe mir kein Limit gesetzt", sagt er, "es läuft gerade ja super." Eike Onnen hat noch ein bisschen was nachzuholen in seiner alten, neuen Karriere.

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