Leichtathletik:"Das Letzte, was wir wollen"

Bloß keine negative Berichterstattung vor den Olympischen Spielen: Eine pikante E-Mail bringt die Chefin der britischen Anti-Doping-Agentur in Bedrängnis.

Von johannes knuth, London/München

Nicole Sapstead versteht einiges von ihrer Arbeit, zumindest, wenn man der Website der Anti-Doping-Agentur Großbritanniens (UKAD) glauben darf. Sapstead, ist dort zu lesen, engagiere sich seit 1998 im Anti-Doping-Business, sie überwachte das Testprogramm und das Ressort Aufklärung von UKAD. Im vergangenen Februar stieg sie zur Geschäftsführerin auf. In dieser Funktion durfte Sapstead vor einer Woche im britischen Parlament vorsprechen. Die Abgeordneten hatten zu einer Anhörung geladen, sie wollten wissen, wie es um den britischen Sport steht, nachdem ARD und Sunday Times über massive Versäumnisse im Anti-Doping-Kampf des Welt-Leichtathletikverbands IAAF berichtet hatten. Dopende Sportler würden "enorme Anstrengungen" unternehmen, um nicht erwischt zu werden, erklärte Sapstead also. Sie berichtete von Wissenschaftlern, die Doping- substanzen manipulieren, damit Athleten nicht erwischt werden. Sapstead folgerte: "Die Fahnder sind im Hintertreffen."

"Das Timing war unglücklich", verteidigt Sapstead ihre E-Mail

Mit welchen Anstrengungen Sapstead diese Fahndung unter anderem bereichert, legt nun eine E-Mail nahe, die die Times am Wochenende auftrieb. Sapstead schrieb demnach an Bill Sweeney, den Chef des britischen Nationalen Olympischen Komitees, an jenem Tag, als ARD und Times ihre Dopingvorwürfe veröffentlicht hatten: "Wir tun alles, was wir können, um den Fokus auf die positiven Nachrichten zu richten. Das Letzte was wir wollen, ist eine Story, die den Countdown für die Sommerspiele in Rio beeinträchtigt." Das Timing der E-Mail sei etwas unglücklich gewesen, verteidigte sich Sapsted.

Dass die leitende Dopingjägerin des Landes den Cheerleader des Sports gibt, ist einerseits pikant - und passt andererseits ins Bild einer Sportverwaltung, die Dopingenthüllungen von Journalisten zuletzt als "Kriegserklärung" klassifizierte (IAAF-Präsident Sebastian Coe). Und die, anstatt Transparenz zu schaffen, sich an eine Anti-Doping-Politik klammert, die niemandem wehtun soll - mit Ausnahme derjenigen, die schlechte Nachrichten überbringen. Coe warnte zuletzt vor einer "Hexenjagd", die der ehemaligen britischen Läuferin Paula Radcliffe in den britischen Medien widerfahren sein soll. Ein Abgeordneter hatte während der jüngsten Anhörung im Parlament indirekt angedeutet, dass einige verdächtige Werte aus den ARD-Berichten von Radcliffe stammten. Die Marathon-Weltrekordhalterin wehrte sich zwar heftig, verzichtete aber darauf, ihre Blutwerte zu veröffentlichen (was sie später tat). Sie sei ja sauber, das habe man zu glauben, so lautete, grob gesagt, ihre Verteidigungs- rede. Und während man mithilfe einer Handvoll Blutwerte tatsächlich kaum Doping belegen oder entkräften kann, so unternahm Radcliffe recht wenig, um bei einer zunehmend misstrauischeren Öffentlichkeit, um Vertrauen zu werben.

Das britische Parlament hat unter- dessen die Gästeliste für die nächste Anhörung veröffentlicht. Darauf steht auch Sebastian Coe. Man wolle unter anderem erfahren, wie er das mit der Kriegserklärung gemeint habe, kündigte der Abgeordnete Damian Collins an.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: