Laudatio für Jupp Heynckes:Hoeneß feiert sein Stegreif-Comeback

Bei seinem ersten Auftritt nach der Haft-Entlassung hält Uli Hoeneß eine sentimentale Rede auf seinen Freund Jupp Heynckes - und spricht auch von sich selbst.

Von Philipp Selldorf, Mönchengladbach

Am Ende eines in vielerlei Hinsicht anekdotischen wie rührseligen Nachmittags kamen Jupp Heynckes dann doch noch ein paar Tränen. "Ich möchte Sie bitten, aufzustehen und einen Applaus nach München zu schicken", forderte Heynckes die 300 Festgäste auf, die zu seinen Ehren in den Kaisersaal eines städtischen Prunkbaus in Mönchengladbach gekommen waren.

Der erbetene Applaus war an einen Wegbegleiter adressiert, mit dem sich Heynckes in den Siebzigerjahren so intensive Duelle um die Bundesliga-Torjägerkrone geliefert hatte, wie derzeit Robert Lewandowski vom FC Bayern und Pierre-Emerick Aubameyang von Borussia Dortmund. Der Applaus war für Gerd Müller, 70, gedacht, den unvergesslichen Mittelstürmer, den schwer erkrankten Freund.

Ehrung wie ein kleiner Staatsakt

"Ich weiß, dass er ein großartiger Fußballer war, aber ein noch viel besserer Mensch ist", sagte Heynckes. Mit dieser Geste lenkte er dann doch noch sensibel davon ab, dass am Sonntagnachmittag zwei andere im Mittelpunkt dieser Ehrung standen, die durchaus etwas von einem kleinen Staatsakt hatte.

Es wurde zwar nicht die Nationalhymne gespielt, sondern auf drei akustischen Gitarren Dave Brubecks "Take Five", aber die Nation war eingeladen zuzusehen, zwei Fernsehsender übertrugen live, als Heynckes als 33. Bürger den Ehrenring seiner Heimatstadt erhielt - und als Uli Hoeneß erstmals seit seiner Haft-Entlassung einen sehr öffentlichen Auftritt hatte.

Heynckes hatte seinen alten Weggefährten gebeten, die Laudatio zu halten, und der einstige ZDF-Moderator Dieter Kürten führte ihn dann mit einer Anekdote in die Veranstaltung ein. Kürten tauchte tief ein in den historischen Anekdotenschatz, er erzählte von jenem zufälligen Treffen mit Kalle del Haye, den Hoeneß im Jahr 1980 aus Gladbach zum FC Bayern lotste. Es war eine der weniger gewinnbringenden Verpflichtungen in dessen Managerzeit, sie machte zumindest aber Del Haye viel Freude: "Er hat den Vertrag genossen!", spottete Kürten. Und Hoeneß nahm die Vorlage auf, als er ans Stehpult trat.

Hoeneß ist persönlich ergriffen

Bevor er Jupp Heynckes das fällige Lob ausspreche, müsse er "ein bisschen was loswerden", sagte Hoeneß und richtete dann seinen besonderen Dank an die Leute aus dem Ort, an dem er sich gerade befand. Gerade aus Mönchengladbach und aus den Kreisen der alten Borussia habe er eine Menge Hilfe und Zuspruch bekommen, als er die schwierige Zeit in der Haft verbringen musste, so fuhr Hoeneß fort und wunderte sich demonstrativ darüber - "schließlich habe ich der Borussia immer die Spieler weggeklaut, den Kalle del Haye, den Lothar (Matthäus) oder den Effe (Stefan Effenberg)".

Zwei Gladbacher Mitstreiter, mit denen er 1974 Weltmeister wurde, fanden in der Hoeneß-Rede besondere Erwähnung. Rainer Bonhof habe ihm "mehrere handgeschriebene Briefe geschickt. Ich habe beim Lesen mit Tränen in den Augen in meinem Bett gesessen". Und eben Heynckes, der für Hoeneß zu dessen 63. Geburtstag im Haft-Januar 2015 ein Video geschnitten hatte: "So etwas Emotionales habe ich noch nie gesehen", sagte Hoeneß. Der langjährige Bayern-Chef hatte am 2. Juni 2014 seine Haftstrafe angetreten, seit wenigen Tagen ist er wegen der Halbstrafen-Regelung zur Bewährung auf freiem Fuß. Signale, ob er sich im November zur Wiederwahl ins Präsidentenamt des FC Bayern stelle, vermittelte die Sonntagsrede allerdings nicht.

Seinen Vortrag bezeichnete Hoeneß als eine "Nicht-mehr-schlafen-Rede", dieser Auftritt habe ihn zuletzt schon im Morgengrauen beschäftigt. Aber das frühe Aufstehen sollte sich lohnen, denn es war eine Rede, die einerseits die eigene Sache und die persönliche Ergriffenheit nicht leugnete ("wenn man, wie ich, einen großen Fehler gemacht und die Konsequenzen gebüßt hat, dann ist es eine ungeheure Freude und Ehre, diese Laudatio zu halten"), und andererseits dem Geehrten zügig die ihm zustehende Aufmerksamkeit zurückgab.

Festsaal war voller Gefährten und Freunde

Hoeneß feierte aus dem Stegreif eine Viertelstunde lang den großen Fußballer Heynckes, ließ aber vor allem den großen Trainer Heynckes hochleben, der es schaffte, auf den letzten Metern seiner Laufbahn die Höhepunkte zu setzen. Zum Mythos dieser - im Wembley-Stadion präzise mit dem Schlusspfiff des gewonnenen Champions-League-Finales 2013 gegen Borussia Dortmund - vollendeten Karriere gehört auch, dass der Ärger auf seinen Freund Uli zu diesem Erfolg beigetragen hatte. Denn Hoeneß hatte Heynckes in der Winterpause der Triple-Saison 2012/2013 mitgeteilt, dass Pep Guardiola nach München kommen werde - "du warst sauer, verständlicherweise, aber du hast nicht verzagt. Du hast gesagt: Diesen Deppen werde ich's zeigen. Und dann hast Du gekämpft".

Heynckes, 70, hörte das alles und die vielen weiteren Huldigungen ("Jupp, ich möchte mich vor Deinem Lebenswerk verneigen") mit Vergnügen und, denn er ist ja auch ein sentimentaler Mensch, mit Rührung.

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