Lance Armstrong bei Oprah über Doping:Geständnis ohne echte Entschuldigung

Der erste Teil des Interviews mit dem einstigen Radfahrer ist ausgestrahlt, Armstrong hat einiges über Doping gesagt. Viel interessanter ist jedoch, was er nicht gesagt hat. Klar wird: Da will sich einer moralisch rechtfertigen. Doch die Menschen wollen keine Sentimentalitäten hören. Sie wollen Namen. Sie wollen Details. Und sie wollen eine Entschuldigung.

Von Jürgen Schmieder

Nach etwa 20 Minuten sagte Lance Armstrong den wohl wichtigsten Satz dieses Interviews. Er war gerade dabei, geschickt um eine direkte Frage der Moderatorin zu lavieren, da pausierte Armstrong kurz, sah Winfrey an und sagte: "Ich bin vielleicht nicht der glaubwürdigste Mensch auf Erden heute." Da dürften Millionen Menschen vor den Fernsehern den Kopf geschüttelt und gerufen haben: Nein, Mister Armstrong, das sind Sie nicht!

Der erste Teil des Interviews mit dem einstigen Radfahrer ist ausgestrahlt, Lance Armstrong hat einiges gesagt: Er gab zu, bei all seinen Tour-de-France-Siegen leistungsfördernde Mittel (Epo, Testosteron, Eigenblutdoping) genommen zu haben. Er gab an, dass eine derartige Leistung ohne Doping nicht möglich gewesen wäre. Er gestand, jahrelang gelogen zu haben.

Er sagt, dass er keine Angst gehabt habe, erwischt zu werden, weil die Tests damals nicht sehr ausgereift gewesen seien, die Kontrollen löchrig. Erst die Einführung des biologischen Passes habe die Einnahme verbotener Mittel deutlich erschwert. Doping, so Armstrong, sei so selbstverständlich wie "Reifen aufpumpen" gewesen. Er gab an, ein "arroganter Sack" gewesen zu sein, der andere herumgeschubst, beleidigt und verletzt habe - einer, der "um jeden Preis gewinnen wollte".

Interessanter ist, was er nicht sagt

Das hört sich zunächst spektakulär an, ist jedoch letztlich so, als hätte Armstrong gesagt, dass die Erde eine Kugel ist, die sich um die Sonne dreht. Das ist alles bekannt, nicht zuletzt durch das mehr als 1000 Seiten umfassende Dossier der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada, die Armstrong vorwirft, für "das ausgeklügeltste, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm, das der Sport je gesehen hat", verantwortlich zu sein.

Viel interessanter und spektakulärer ist deshalb, was Lance Armstrong nicht gesagt hat. Zum Beispiel sagte er kein einziges Mal direkt in die Kamera: "Es tut mir leid!" Er kündigt immer wieder an, sich entschuldigen zu wollen - doch letztlich tut er es nicht.

Vielmehr wurden die Motive deutlich, dass er für seine Aussagen ein Hotelzimmer in Austin gewählt hat und keinen Gerichtssaal. Er möchte nicht wirklich erklären, was da passiert ist beim Dopen damals. Er will sich auch nicht von Schuld befreien. Er will sich nicht entschuldigen.

Armstrong möchte, das wird in diesen 65 Minuten deutlich, eine moralische Rechtfertigung abgeben für sein Tun. In den Vereinigten Staaten gilt das so genannte "coming clean", das Eingestehen der Fehler, als wichtigster Schritt auf dem Weg zur Rehabilitation. Schlimmer als die Tat selbst ist die Lüge - und nur wer das Lügengebäude in die Luft sprengt, dem kann verziehen werden.

Oprah Winfrey ist ungewöhnlich hart

Hierzulande dauert es gewöhnlich länger, bis es einem Sünder gestattet wird, das Büßerhemd abzustreifen - in den USA geht das bisweilen recht schnell. Ehebrecher Tiger Woods darf sich mit Skistar Lindsey Vonn zeigen, der in eine Prostituiertenaffäre verwickelte Eliot Spitzer kündigte kürzlich sein politisches Comeback an. Genau das strebt Armstrong auch an: eine Rückkehr, bestenfalls zum Triathlon, weshalb er versucht, die lebenslange Sperre gegen ihn abzumildern. Acht Jahre Sperre, das ist sein Ziel.

Winfrey fragt forsch, sie hakt nach, sie gibt sich bisweilen ebenso verständnislos wie der Fernsehzuschauer. Manche Frage stellt sie drei Mal, wie etwa jene, ob Armstrong Druck auf Kollegen ausgeübt habe, ebenfalls zu dopen. Es ist nicht der Wohlfühl-Talk für Armstrong, den manche im Vorfeld der Ausstrahlung befürchtet hatten. Armstrong ist nervös, er schwitzt - doch er ist höchst professionell.

Es ist erstaunlich, wie geschickt er manchen Fragen ausweicht und letztlich um eine klare Antwort herumkommt - wie eben bei dem Vorwurf, dass er andere Fahrer aufgefordert habe zu dopen. "Das ist nicht wahr", sagt er zunächst. Dann räumt er ein, dass es gewisse Erwartungen an Mitglieder seines Teams gegeben habe. "Aber ich habe niemanden direkt aufgefordert", sagt er dann.

Auf Nachfrage Winfreys räumt er ein, als Kapitän der Mannschaft eine Vorbildfunktion gehabt zu haben, dass andere Fahrer zu ihm aufgesehen und natürlich mitbekommen hätten, dass der Chef dopt. Er habe jedoch keinem Fahrer gedroht, ihn aus dem Team zu werfen, wenn er nicht dopen würde. Als Winfrey nachhakt, da legt Armstrong den Kopf zu Seite, presst die Lippen aufeinander - und sagt nichts.

Das ist die Quintessenz dieses ersten Teils: Armstrong redete viel - und sagte doch nichts Neues. Immer wieder sagt er: "Es ist schwierig, die Geschichte zu erzählen, ohne Namen zu nennen." Er könne auch die Dopingkultur seiner Mannschaft nicht ohne Namen erklären. Und Namen, nein, die wolle er nicht nennen: "Ich fühle mich nicht wohl dabei, über andere Menschen zu sprechen."

Sentimentalitäten und Bekanntes

Dabei sind es Namen und Daten, die die Öffentlichkeit interessieren. Doch diese Details nennt er nicht. Lieber nutzt Armstrong die Winfrey-Plattform, um Sentimentalitäten einzustreuen: Er stamme aus ärmlichen Verhältnissen, er sei ein Kämpfer gewesen, er verweist auf seine wohltätige Arbeit. Immer wieder führt er seine Krebserkrankung an und behauptet, dass es aufgrund seiner Erkrankung quasi erlaubt gewesen sei, Testosteron zu nehmen. Er habe nur Waffengleichheit herstellen wollen und habe sich nicht als Betrüger gesehen.

Wieder: Diese biografischen Details sind bekannt - und die Menschen haben nicht eingeschaltet, um Sentimentalitäten zu hören.

Genau das hatten die Beamten der Usada schon vorher gefordert: Man wolle keine Entschuldigung oder eine oberflächliche Beschreibung seines Dopingprogramms. Man wolle Details. In der Nacht zu Samstag wird der zweite Teil des Interviews ausgestrahlt (drei Uhr mitteleuropäische Zeit, Discovery Channel). Es steht zu befürchten, dass es so weitergeht: wenig Details, keine Namen, viel Sentimentales.

"Wichtig ist doch, dass ich jetzt anfange, zu verstehen", sagt Armstrong am Ende des ersten Teils, "ich werde den Rest meines Lebens versuchen, Vertrauen zurückzugewinnen und um Vergebung zu bitten." Wenn Armstrong wirklich verstanden hat und wenn er wirklich Vertrauen zurückgewinnen möchte, dann sollte er wenigstens ein Mal direkt in die Kamera blicken und sagen: "Es tut mir leid!" Und direkt danach sollte er sich, wenn er verstanden hat, in einen Gerichtssaal begeben.

Anmerkung der Redaktion: Die Überschrift wurde geändert, um Missverständnisse zu vermeiden. Lance Armstrong sagte das Wort "sorry" wiederholt, allerdings entschuldigte er sich - wie im Text beschrieben - nie direkt oder für eine bestimmte Sache.

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