Bundesliga:Der Fan-Protest gegen Montagsspiele ist legitim

Fanproteste gegen Montagsspiele

Fans äußern ihren Unmut über die neuen Anstoßzeiten der Bundesliga - solche Banner gab es zuletzt häufig.

(Foto: Friso Gentsch/dpa)

Das erste reguläre Bundesligaspiel an diesem Montag ist ein Symbol für die Richtung, die der deutsche Fußball nimmt. Auf den Ultra-Fan nehmen die Vermarkter der Liga wenig Rücksicht.

Kommentar von Martin Schneider

Es gab früher mal einen Fan-Gesang, der ging auf die Melodie von "Jingle Bells" so: "Gegner-Fans, Gegner-Fans, nehmt euch montags frei. Denn montags läuft im DSF die Bundesliga zwei, hey!" Statt "Gegner-Fans" sang man natürlich den Namen des abstiegsbedrohten Konkurrenten. Für alle Jüngeren, die sich fragen, was das DSF ist: Die Abkürzung stand für "Deutsches Sport-Fernsehen" und war früher der Name des heutigen Senders Sport1. Das DSF war hauptsächlich für zwei Sachen bekannt: Soft-Erotik-Filme nach Mitternacht, die sie "Sport Clips" nennen - und eben die Live-Übertragung des Montagsspiel der zweiten Liga.

Dieser Fangesang war auch deswegen populär, weil man die gegnerischen Fans dadurch an ein weiteres Übel des Abstiegs erinnerte. Wenn man in die zweite Liga musste, dann hieß das nicht nur: die Blamage des Abstiegs ertragen, Spiele gegen Sandhausen oder Meppen, nein, wer frei nach Dante (der Dichter, nicht der Fußballer) in den nächsten Ring der Hölle musste, den erwartete eine zusätzliches Folterinstrument: Fußball am Montag.

An diesem Montag ist das nun vorbei: Auch die Bundesliga wird mit dem Spiel Eintracht Frankfurt gegen RB Leipzig zum ersten Mal ein reguläres Spiel am ersten Tag der Woche spielen. Der Widerstand in der deutschen Fan-Szene ist enorm. Und man muss sagen: Der Protest ist legitim. Nichts ist berechtigter, als sich gegen den eigenen Bedeutungsverlust zu wehren.

Der Kunde im Sessel vorm Fernseher ist wichtiger als der Fan mit Fahne im Stadion

Die Entscheidung für ein Montagsspiel ist eine Entscheidung für den Zuschauer vorm Fernseher und gegen den Fan im Stadion. Montagabend den Fernseher anmachen - das geht. Montagsabends ein paar hundert Kilometer durch die Republik fahren, um sich ein Spiel anzusehen - das geht nur mit Urlaubstagen oder einem Krankenschein. Die Botschaft hinter den Spielen am Montag ist: Der Kunde mit Eurosport-Player-Zugang im Sessel ist wichtiger als der Fan mit der Fahne im Stadion.

Im Protest scheinen sich wirklich alle Fans einig zu sein. In Frankfurt rufen Ultras dazu auf, Fahnen zu Hause zu lassen und still zu sein. Eine Ultragruppe aus Leipzig fordert Fans auf, nicht nach Frankfurt zu fahren. In Dortmund wollen über 300 Fanklubs nicht auf die Südtribüne gehen und auch Gruppen aus Augsburg und Bremen haben Aktionen angekündigt. Es war klar, dass so etwas passieren wird. Aber warum macht man es dann?

Die DFL sagt dazu in einer Mitteilung: a) Das Montagsspiel hat nichts mit Geld zu tun, und b) Wir tun den Fans doch eigentlich einen Gefallen. In einer Mitteilung schreibt der Verband, dass kommerzielle Gründe nicht entscheidend waren für die Montagsspiele, sie würden nur ein Prozent der Medienerlöse ausmachen. Vielmehr habe man sie eingeführt, um den Europa-League-Teilnehmern, die donnerstags spielen müssen, einen Gefallen zu tun. Denn dann müsse kein Verein donnerstags und samstags ran. Sonntagmittags wolle man aus Rücksicht auf den Amateurfußball keine Spiele ansetzen. Außerdem gibt es in diesem Jahr nur zwei statt drei "Englische Wochen" (Spieltag am Dienstag und Mittwoch), verrechnet mit fünf Montagsspielen ergebe das sogar drei Spiele unter der Woche weniger.

DFL argumentiert: Anderswo ist es noch schlechter

Dazu muss man sagen, dass die Europa-League-Teilnehmer bisher am Sonntag eigentlich ganz gut spielen konnten und zwei Tage Regeneration zwischen zwei Spielen durchaus zumutbar sind. Den Amateurfußball als Begründung zu nennen, wirkt ein wenig unglaubwürdig, weil DFL und Deutscher Fußball-Bund (DFB) über geheime Zusatzvereinbarungen im sogenannten Grundlagenvertrag den Amateuren vermutlich Millionen von Euro vorenthalten haben. Selbst die Staatsanwaltschaft Frankfurt stellte fest, dass da Absprachen "zu Lasten des Amateurfußballs" getroffen wurden. Und die drei Spiele weniger? Da kommt es auf den Vergleichszeitraum an. Es stimmt, im vergangenen Jahr gab es drei Englische Wochen. In der Saison davor aber nur zwei.

Die Aussage, dass kommerzielle Gründe nicht entscheidend seien? Nun, wenn es kein Geld bringen soll, warum macht man es dann?

Vor Kurzem erschien eine sehenswerte Dokumentation in der ARD mit dem Titel "Ultras". Darin interviewen die Filmemacher unter anderem Ultra-Fans von Dynamo Dresden und vom VfB Stuttgart, aber auch DFL-Chef Christian Seifert kommt zu Wort. Er sagt: "Wir sind die Top-Liga in Europa mit den wenigsten Anstoßzeiten". Das stimmt. In Spanien gibt es für zehn Spiele zehn verschiedene Anstoßzeiten. Aber in dieser Doku hört sich die Argumentation schon anders an. Da sagt Seifert nicht: Wir tun euch was Gutes. Sondern: Seid froh, anderswo ist es noch schlechter.

Damit hat er gleichwohl recht. Überhaupt muss man sagen, dass die DFL natürlich nicht der Bösewicht ist, sondern schlicht der Dachverband, der die Interessen der Klubs vertritt. Und Christian Seifert hat keinen leichten Job. Auf der einen Seite mit der Premier League mithalten wollen und auf der anderen Seite Fan-Interessen bewahren - das ist nicht so einfach. Aber der DFL-Chef sagt in der Dokumentation auch: "Dreimal hintereinander die Champions League gewinnen oder Messi und Ronaldo sind schon bessere Verkaufsargumente, als zu sagen: Bei uns sind aber auch die Choreographien schön."

Und damit zurück zu den Fanprotesten. Denn das Montagsspiel ist ein Symbol für die Richtung, die der Fußball nimmt. Und die Richtung nimmt auf den Ultra-Fan wenig Rücksicht. Wenn man sehr zynisch wäre, könnte man fragen: Warum auch? Ein Auswärtsfan bringt kaum Geld, weil er Stehplatzkarten kauft. Im Gegenteil, er kostet Geld, weil die Bundespolizei ihn in Zügen durch die ganze Republik begleiten muss. Eine eigene Meinung hat er auch noch. Und wenn er die kundtut, dann passt das nicht in das Vermarktungskonzept. Da ist der Fernsehzuschauer schon angenehmer.

Die Ultras sehen diese Entwicklung und wehren sich dagegen. Sie sind die Verlierer in diesem Spiel. Sie argumentieren mit der Stimmung, mit der Gemeinschaft, mit der Fußball-Kultur, mit ihrer integrativen Arbeit. Das sind gute Argumente, aber eben auch Argumente, die schlecht monetarisiert werden können. Die Entscheidung, wie sich der Fußball in Deutschland in Zukunft entwickelt, ist auch eine Entscheidung zwischen Fernseh-Geld und Fan-Liebe. Und man hat so eine Vermutung, wie sie ausfallen wird.

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