DFB-Problemzone Außenverteidigung:Ein Philipp Lahm ist zu wenig

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Fehlt Philipp Lahm, hat Bundestrainer Joachim Löw ein Problem. Im Gegensatz zu allen anderen Positionen ist das deutsche Team auf der Außenverteidiger-Position nicht gut aufgestellt. Die Niederlage gegen Frankreich war der jüngste Beweis. Lahms Konkurrenz konnte die Chance nicht nutzen.

Thomas Hummel, Bremen

Am Mittwochnachmittag hatte Philipp Lahm auf seiner Facebook-Seite geschrieben: "Ich werde die Partie am Fernseher verfolgen und freue mich auf ein gutes Match der Jungs." Der Kapitän hat dann am Abend auf dem Sofa eher kein so gutes Match der Jungs gesehen. Was auch ein wenig daran lag, dass der Junge Philipp Lahm nicht dabei war.

Immerhin hatte er sich den Fragen der Reporter gestellt: Außenverteidiger Dennis Aogo (Foto: Bongarts/Getty Images)

Seit 2004 freut sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB), den inzwischen 28-jährigen aus München berufen zu können. Denn damit ist ihm gewiss, einen Posten in der Außenverteidigung gut bis sehr gut besetzen zu können. Bisweilen hat sich der DFB geärgert, dass er diesen Lahm nicht zweimal aufstellen darf, einen links und einen rechts, weil sich nirgends ein zweiter guter bis sehr guter Außenverteidiger im Land finden lässt. Richtig prekär wird die Lage aber immer dann, wenn nicht einmal ein Lahm zur Verfügung steht.

Am Mittwochabend beim 1:2 gegen Frankreich saß Lahm zu Hause in München, um eine Schleimbeutelentzündung im Knie auszukurieren. Sein Fehlen fiel stärker auf, als Bundestrainer Joachim Löw lieb sein kann. Auch wenn er das so niemals sagen würde: Lahm ist vielleicht der einzige Spieler, den er bei weitem nicht gleichwertig ersetzen kann.

Rechts hinten verteidigte zunächst Jérôme Boateng, der in jedem Interview betont, dass er sich in der Abwehrmitte wohler fühle. Entsprechend unwohl wurde dem deutschen Publikum angesichts des phasenweise unkoordinierten Auftritts Boatengs. Zur zweiten Halbzeit kam Benedikt Höwedes, der auch mal zu den talentiertesten Innenverteidigern des Landes zählte. Er durfte froh sein, dass ihm ein zweites Aufeinandertreffen mit Franck Ribéry binnen fünf Tagen erspart blieb, der Franzose vom FC Bayern blieb in der Kabine.

Links hinten offenbarte sich ein noch schwerwiegenderes Problem. Dennis Aogo merkte zu Recht an, dass er von seinen Mitspielern oft allein gelassen wurde, sei es vom Innenverteidiger Holger Badstuber vor dem 0:1 oder von der gesamten Offensive vor dem 0:2. Dennoch verfestigte sich der Eindruck, dass hier einer an die Grenzen seines Leistungsvermögen stößt, wenn sich das Niveau Richtung europäische Spitze bewegt.

Von den Schnellsten wird Aogo überlaufen, von den Trickreichsten ausgespielt und der Stellungsfehler vor dem ersten Gegentor trägt auch nicht zur Vertrauensbildung beim Bundestrainer bei. Immerhin stellte er sich nach der Partie im Gegensatz zu vielen Mitspielern der Öffentlichkeit und plädierte dafür, "jetzt nicht alles schlechtzureden". Womit er wohl die Mannschaft wie auch sich selbst meinte.

Löw mag unkontrollierten Übermut gar nicht

Bliebe Marcel Schmelzer. Der 24-Jährige ist einer der eifrigsten Dauerrenner bei Borussia Dortmund, dessen Eigenschaft des Immer-Vollgas-Gebens der Spielweise des BVB entspricht. Ins kontrolliertere Passspiel beim DFB mag Schmelzer aber nicht wirklich passen. Was in Dortmund als positiver Mut gelobt wird, fällt hier bisweilen als unkontrollierter Übermut auf. Joachim Löw mag unkontrollierten Übermut gar nicht.

Auf die vielen Verletzten angesprochen, erklärte Ersatzkapitän Miroslav Klose in Bremen: "Bei einem Turnier können Ausfälle kommen, verletzungsbedingt oder Sperren, dann müssen die anderen in die Bresche springen." Und er fügte an: "Wir haben immer davon gesprochen, dass wir in fast allen Teilen doppelt besetzt sind."

Miroslav Klose und die Mannschaft werden zur EM froh sein, wenn die Außenverteidiger-Position wenigstens einfach stark besetzt ist. Das beinhaltet erstens einen gesunden Philipp Lahm. Und zweitens die Kunst des Bundestrainers. Der sieht seine Hauptaufgabe zu Recht darin, das Defensivverhalten der gesamten Mannschaft zu verbessern. Das erleichtert das Leben der Verteidiger enorm und kann so manche Schwäche kaschieren.

Doch die Detailfrage, wer neben Lahm die zweite Seite abdecken soll, wird Joachim Löw auch vor dem dritten Turnier als Bundestrainer lange beschäftigen.

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