Aus Wolfsburg wurde am Montag ein Bericht überliefert, in dem Felix Magath davon schwärmte, "eine tolle Woche" mit seiner Mannschaft hinter sich zu haben. Diese Mitteilung seines neuen Trainers hat Arne Friedrich, 31, bestimmt gern vernommen, denn er hat jene Woche bei der Nationalmannschaft verbringen dürfen. Er kenne Magaths Methoden bisher zwar nur "vom Hörensagen", berichtete der Verteidiger am Montag, doch eben diese Legenden sind besonders furchterregend. Ihre Lehren laufen immer darauf hinaus, dass das, was Magath als tolle Zeit empfindet, den Fußballern Schmerz und Erschöpfung bringt. Friedrich hat sich davon ein Bild machen können, indem er jeden Tag mit den VfL-Kollegen telefonierte. "Die haben ordentlich gearbeitet", resümierte er nicht ohne schadenfrohes Lächeln, "der Muskelkater ist da und geht nicht weg."
Vom DFB-Team, das am Sonntag in Erwartung des Testspiels gegen Australien nach Düsseldorf umgezogen ist, sind solche Exzesse nicht zu melden. Die Mannschaft hat am Montagvormittag bei einem Fahrtraining auf der Teststrecke des DFB-Sponsors Zerstreuung gesucht. Geprobt wurden Disziplinen wie Driften oder Beschleunigen, und trotz der Teilnahme des berüchtigten Piloten Lukas Podolski stiegen sämtliche Teilnehmer gegen halb zwei unversehrt aus dem Bus, um danach umgehend zum Mittagessen geführt zu werden. Die Strapazen hielten sich also in Grenzen.
Arne Friedrich hatte dem Fahrerlebnis eine Massage vorgezogen, denn für ihn ist die Partie gegen Australien mehr als ein schöner Zeitvertreib in den Diensten des DFB. Es ist seine Rückkehr in das Team, aus dessen Mitte er im Sommer während der WM in Höhen stieg, die er nie zuvor gesehen hatte. Auf der ganzen Welt wurde Friedrich als Weltklasseverteidiger gefeiert, nicht in Satiremagazinen, sondern in ernsthaften Beiträgen der internationalen Fachpresse.
Sein Enthusiasmus währte aber gerade solange, bis er seine neue Arbeitsstelle in Wolfsburg angetreten hatte. Dann traf ihn ein Bandscheibenvorfall, und als er sechs Monate später in sein neues Team zurückkehrte, lautete das Saisonziel nicht mehr Champions League, sondern Klassenerhalt. Auch der Stammplatz in der Nationalelf war fort, den hält jetzt der Münchner Holger Badstuber. "Ich hab's mir anders gewünscht und vorgestellt, aber wenn man so lange raus war, dann muss man sich wieder hinten anstellen", sagt Friedrich. Verdrossen wirkt er nicht. Am Dienstag wird er nicht nur der Alterspräsident einer rundum veränderten, vorwiegend jugendlichen B-Elf sein, sondern auch ihr Kapitän. Es wird sein 80. Auftritt im Nationalteam sein.
Junger Nachwuchsmann im Angriff
Sein Nebenmann in der Innenverteidigung müsste für so eine Bilanz noch lange am Ball bleiben. Mats Hummels, 22, erwartet sein viertes Länderspiel, ein paar Einsätze mehr hatte er sich zuletzt aber schon zugetraut. Er wähnte sich in der Startelf für den Test gegen Italien neulich in Dortmund, und er sah beste Chancen zur Nominierung für die Partie gegen Kasachstan am Samstag. Hummels' selbstbewusste Einschätzung korrespondiert mit der Auffassung des Fachpublikums. Der Dortmunder, sowohl spielerisch wie rhetorisch ein forscher Typ, genießt hohes Ansehen, und er hat eine lautstarke Lobby.
Doch der Bundestrainer traf andere als die allseits erwarteten Dispositionen, nämlich seine eigenen. Er zog, trotz zuletzt bescheidener Liga-Leistungen, den stillen Badstuber vor. Löws Assistent Hansi Flick hat diese Präferenz am Montag unterstrichen. "Ich kann's nur wiederholen", hat er gesagt, "wir haben unsere Spielphilosophie und lassen die Spieler spielen, von denen wir überzeugt sind." Es verging eine kurze Pause, bis er hinzufügte: "Von Mats Hummels sind wir auch überzeugt." Dann wies er noch darauf hin, dass es in Anbetracht des großen Angebots "ab und zu ein paar Härtefälle" gebe. Die Frage ist nun, welcher der beiden der härtere Härtefall ist: Der des alten Friedrich oder der des jungen Hummels. Beide werden das Spiel gegen Australien nutzen wollen, um beim Bundestrainer Pluspunkte zu sammeln.
So wie alle Mitglieder des Schattenkabinetts, die in Mönchengladbach ausschwärmen dürfen: Marcel Schmelzer, der als Linksverteidiger Dennis Aogo ablöst; Christian Träsch, der als Rechtsverteidiger den Kapitän Philipp Lahm vertritt; André Schürrle, der den Posten von Lukas Podolski besetzt; und im Angriff bekommt ein junger Nachwuchsmann namens Mario Gomez eine Chance.
Nur im Zentrum wird eine der bekannten Schlüsselfiguren auftauchen: Bastian Schweinsteigers Verbleib beim DFB-Team quittieren die Trainer mit einer Einsatzgarantie. Wie seinem Klubkollegen Lahm hatte ihm Löw die Heimkehr nach München angeboten, Schweinsteiger lehnte ab. Vielleicht findet er es beim Nationalteam gemütlicher, vielleicht treibt ihn aber auch das Gefühl, er müsse nach seiner unfrohen Vorstellung gegen Kasachstan etwas gutmachen.