La Glosse:Hähne müssen draußen bleiben

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(Foto: N/A)

Tiere im Stadion sind untersagt. Wenn jeder mitschleppt, was er will - wo käme man da hin? Ein Herr wüsste da eine Antwort.

Von Holger Gertz

Clément Tomaszewski ist ein Teil der Fußballfolklore geworden, weil er seit Jahrzehnten mit einem Hahn in den Stadien der Welt erscheint, der Hahn heißt Balthazar. Mit Balthazar erlebte er die Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich, schon damals hielt er den Hahn wie einen Pokal in die Luft, wenn eine Kamera in der Nähe war, good old times.

Die Besetzung hat mehrmals gewechselt, aber die Rolle ist bedeutend geblieben: Balthazar ist das Wappentier der französischen Nationalmannschaft, und wenn er frühmorgens kräht, wird Frankreich nicht verlieren. Sagt Tomaszewski, der zur Not frühmorgens den Kehlkopf des Hahns sanft massiert, um dessen Schweigen zu brechen.

Im Lauf der Zeit wurde es schwieriger und immer schwieriger, Balthazar ins Stadion einzubringen - das ist das kalte Fachvokabular der Fußballverbände, in deren Regelwerk steht: Das Einbringen von Tieren aller Art ins Stadion ist untersagt. Ein Hahn ist keine Waffe, aber wenn jeder mitschleppt, was er will - wo käme man da hin? Tomaszewski brachte 2002 bei der WM in Südkorea einen Hahn ein. Der echte Balthazar musste zwar wegen der Vogelgrippe zu Hause bleiben, er beschaffte sich auf einem Wochenmarkt ein ganz ähnlich aussehendes Exemplar und brachte ihm noch auf dem Weg ins Stadion die paar Brocken Französisch bei, mit denen man ja immer durchkommt.

Bei dieser Euro kämpft Tomaszewski jetzt den Kampf der nigerianischen Fans bei der WM 2010, die damals Dutzende und Hunderte Hähne einbringen wollten, was ihnen nicht erlaubt wurde, so musste vor der Arena ein provisorisches Geflügelparadies eingerichtet werden. Tomaszewski hat sich mit der Uefa Briefe geschrieben, die Uefa mag gerade ein zerfleddertes Bild abgeben, doch in Sachen Balthazar ist die Ansage freundlich, aber bestimmt: "Die Anwesenheit ihres Hahns würde Sie in eine peinliche Situation gegenüber den Security-Leuten bringen", schrieb die Uefa.

Tomaszewski beharrt darauf, Balthazar sei kein Tier aller Art, aber die Zeiten sind, wie sie sind, und die Spielräume von früher gibt es nicht mehr. Noch 2006 bei der WM in Deutschland brachte er seinen Hahn ins Kölner Stadion ein, und zwar - wie die Legende sagt - in seiner Hose. Was für einen sehr kleinen Hahn spricht, oder für eine sehr große Hose.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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