Kurioser Elfmeterpfiff in Mainz:"Es gibt halt immer noch mal was Neues"

1. FSV Mainz 05 v Sport-Club Freiburg - Bundesliga

Pfiff den kuriosesten Elfmeter in dieser Saison: Schiedsrichter Guido Winkmann.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Tobias Schächter, Mainz

Christian Streich blieb Montagnacht wortkarg wie ein Eremit. Der Trainer des SC Freiburg will nicht mehr jener Christian Streich sein, der über Schiedsrichterentscheidungen gegen seine Mannschaft wie ein Rumpelstilzchen zetert. Jüngst in Schalke war das mal wieder so, und Streich wurde dafür hart kritisiert. Der 52-Jährige erklärte, nur noch Dinge zu thematisieren, die er beeinflussen könne - Schiedsrichterpfiffe fallen nicht in diese Kategorie.

In Mainz beeinflusste dann wieder eine kuriose Entscheidung den Lauf der Ereignisse bei der 0:2-Niederlage des SC. Streich aber sagte nur: "Ich sag nichts mehr dazu. Ich war nicht ruhig in Schalke. Deswegen bin ich jetzt ruhig. Ich habe mir vorgenommen, so etwas über mich und meine Mannschaft ergehen zu lassen."

Man merkte Streich an, dass es ihm schwerfiel, unkommentiert zu lassen, was ihn innerlich aufwühlte. Denn: Kurioser ist noch keine Mannschaft in der Geschichte der Bundesliga mit einem Rückstand in die Halbzeit gegangen als der SC in Mainz.

Das Vorgehen ist regelkonform - aber glücklich ist darüber nicht mal der Referee

Schiedsrichter Guido Winkmann hatte zur Pause gepfiffen, Fans gingen zu Bratwurst- und Bierständen, Freiburgs Spieler verschwanden in den Katakomben, die Mainzer sammelten sich am Spielfeldrand, um in die Kabine zu gehen. Doch dann bekam Winkmann ein Zeichen von Video-Assistentin Bibiana Steinhaus: Bei der letzten Aktion vor dem Pausenpfiff hatte SC-Verteidiger Marc-Oliver Kempf den Ball im Strafraum nach einem Schuss des Mainzers Daniel Brosinski klar mit der Hand abgelenkt. Nach Ansicht der TV-Bilder entschied der Unparteiische: Elfmeter für Mainz! Winkmann ließ daher die Freiburger Spieler wieder auf den Platz holen.

"Einige hatten schon die Trikots aus, und machten das, was man halt so macht in der Halbzeit", erzählte Freiburgs Julian Schuster über diese seltsamen Minuten. Statt mit einem 0:0 trotteten die Freiburger sieben Minuten nach dem ersten Pausenpfiff schimpfend und mit einem 0:1- Rückstand in die Pause. Einen Nachschuss würden die Regeln in diesem speziellen Fall nicht mehr erlauben, hatte Winkmann dem Mainzer Elfmeterschützen Pablo de Blasis noch gesagt: Dem Argentinier war's egal, er verwandelte eiskalt (45.+7).

Der DFB hat die internationale Regelung abgeändert

Streich blieb auch gefasst, nachdem der Mainzer Trainer Sandro Schwarz erklärt hatte, die Führung habe den Nullfünfern in die Karten gespielt. Regelkonform war sie auch. Die Regel 8.13 des zuständigen International Football Association Board (Ifab) erlaubt dem Video-Assistenten, auch nach Halbzeit- und Abpfiff einzugreifen - solange der Schiedsrichter das Feld noch nicht verlassen hat.

Und Steinhaus hatte Winkmann deutlich vorher kontaktiert. SC-Sportchef Jochen Saier erklärte: "Ich dachte, mit dem Halbzeitpfiff ist ein Haken dran. Erst war es ein bisschen Ungläubigkeit, aber regeltechnisch ist das, denke ich, in Ordnung. Aber: Es wird immer kurioser." Winkmann gab nach dem Abpfiff eine erstaunliche Besonderheit in den deutschen Regularien zu Protokoll: Der DFB habe die Regel so abgeändert, dass in der Bundesliga zwar nach dem Halbzeitpfiff, nicht aber nach dem Schlusspfiff der Videobeweis angewandt werden darf. Und er fügte an: "Als betroffener Verein wäre ich nicht glücklich darüber, aber es gibt halt immer noch mal was Neues."

Für Freiburg wird es im Abstiegskampf immer ungemütlicher. Sieben Spiele ist der SC ohne Sieg, den rettenden Platz 15 verlor man nun an die punktgleichen Mainzer - Freiburg sackte auf den Relegationsplatz. Der Mainzer Sieg marginalisierte zudem auch die Chancen auf den Klassenerhalt für die Tabellenletzten HSV (17.

) und Köln (18.). In Mainz verloren die Freiburger aber nicht nur wegen des kuriosen Elfmeters. Erst in der 88. Minute schossen sie zum ersten Mal gefährlich aufs Tor (Petersen traf die Latte), doch da war die Partie nach dem 2:0 (79.) von de Blasis schon entschieden. Der schwere Fehler von Freiburgs Torwart Alexander Schwolow vor der Entscheidung passte zum schwachen SC-Auftritt. Langfristige Ausfälle von Stammspielern konnte Streich zwar lange kompensieren, aber Freiburgs Widerstandskraft gelangt im Saisonfinale an eine Grenze.

Mainz-Torwart Adler kritisert die Fanproteste

Und nun müssen sie auch noch diesen irren Montag verarbeiten. Den Videobeweis und das Montagsspiel gibt es erst seit dieser Saison, in Mainz gingen diese umstrittenen Neuerungen eine bizarre Melange ein. Die Ultras beider Klubs beließen es nicht beim kreativen Protest gegen den Termin, nachdem sie am Samstag, 15.30 Uhr, ein Fan-Spiel veranstaltet hatten. Am Montag pfiffen die Ultras während der gesamten Spielzeit, Anfeuerung fand kaum statt. 05- Torwart René Adler kritisierte: "Groß unterstützt haben uns die Fans heute nicht." FSV-Mittelfeldmann Danny Latza meinte: "Ich spiele lieber, ein zwei Mal montags statt in der zweiten Liga." Streich sagte nur, er finde es gut, dass man in Deutschland seine Meinung frei äußern dürfe, das sei in anderen Ländern ja nicht so. Den Rest behielt der SC-Trainer für sich.

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