Kuriose Strafstöße der Fußball-Geschichte:Kunst aus elf Metern

Lupfer, Pirouetten und komische Kullerbälle: Elf Meter sind es von Punkt zu Tor - genug Raum, um wie die Engländer jede Menge falsch zu machen. Oder eben richtig, wie Hannovers Jan Schlaudraff mit seinem eleganten Chip in der Europa League gegen den FC Brügge. Die Historie der Elfmeter kennt viele Arten des erfolgreichen Abschlusses vom Punkt. Eine Typologie in Videos.

Frieder Pfeiffer

Von Punkt zu Linie sind es im Fußball elf Meter. Diese Distanz ist die wohl bekannteste Strecke, die die Kugel zurücklegen kann. Nur elf Meter, und doch so viel Raum für Tragödien, für zerstörte Träume und schluchzende Fußballer. Und eine Entfernung für Helden, die sich zumeist auf den Linien bewegen, aber eben nicht immer.

Denn auch ein Elfmeterschütze kann nicht immer nur verlieren, auch wenn es der Volksmund behauptet. Es gibt den deutschen WM-Helden Andy Brehme, es gibt den tschechischen Heber Antonín Panenka, den gewitzten Johan Cruyff und darüber hinaus unzählige andere, die mehr in die Planung ihres Schusses investiert haben, als nur die Suche nach dem schnellsten und sichersten Weg vom Punkt ins Netz.

Jan Schlaudraffs Elfmeter im Europa-League-Spiel gegen Brügge in dieser Woche war ein weiterer Höhepunkt in einer langen Reihe großer Strafstoß-Augenblicke. Die Elfmeter-Geschichte hat neben Tränen und Triumphen auch viele kuriose, besondere Momente geschaffen. Ein Rückblick in Videos.

Der Panenka-Heber

Diese Sache ist nur was für die ganz Harten. Und natürlich will es die Ironie des Moments, dass sich besonders die flinken, schmächtigen Fußballer als Experten dieses Fachs hervorgetan haben.

Eine der schönsten und gleichzeitig gefährlichsten Fußball-Erfindungen ist der von Schlaudraff gezeigte Lupfer vom Elfmeterpunkt: Der sogenannte "Panenka-Heber", benannt nach dem früheren tschechischen Nationalspieler Antonín Panenka - er narrte bei der Premiere dieser Schussvariante 1976 Sepp Maier im Elfmeterschießen des EM-Finals von Belgrad. Die Tschechoslowakei wurde dank Panenkas Schaufelwerk Europameister, nachdem Uli Hoeneß seinen Ball zuvor in den berühmten Belgrader Nachthimmel gedroschen hatte.

Und was so gut ist, wird gerne kopiert. In den vergangenen Jahren fand sich immer wieder ein Schlitzohr, meist unauffällig in der Gestalt, aber umso mächtiger im Nervengewand, das den Ball so langsam wie nur möglich am Torwart vorbei hebelte. Hervorgetan hat sich dabei auch Franck Ribéry, der im DFB-Pokal-Viertelfinale 2008 gegen Stadtkonkurrent 1860 in der 120. Minute einen Elfmeter wiederholen musste - und dann per Lupfer traf. Ein Jahr später versuchte er es wieder. Und scheiterte ziemlich kläglich an Jens Lehmann. Der war einfach stehengeblieben.

Der Doppelpass

Oftmals ist es gar nicht unbedingt das Original, das eine bestimmte Art des Elfmeterverwandelns über die Jahrzehnte verkörpert. So hat Johan Cruyff dem Doppelpass vom Punkt 1982 eine gewissen Berühmtheit verschafft. Dank seines großen Namens und dank der perfekten Ausführung in Zusammenarbeit mit Teamkamerad Jesper Olsen von Ajax Amsterdam.

Das Urheberrecht hätte er im Anschluss jedoch nicht für sich beanspruchen dürfen. Dieses gebührt wohl Rik Coppens, einem Belgier, der im WM-Qualifikationsspiel 1957 gegen Island die Doppelausführung erfand: Hier zu sehen ab Minute 1:35. Dass auch diese Art der Strafstoßkunst nicht bar jeder Tücke ist, zeigten die Weltklassespieler Robert Pires und Thierry Henry 2005 im Trikot des FC Arsenal. Der Versuch endete mit einer peinlichen Verfehlung. Immerhin gewannen die Londoner das Spiel. Der Klub der beiden Franzosen siegte 1:0 - weil Pires zuvor schon einen Elfmeter verwandelt hatte. Ohne Mätzchen.

Flitzer-Elfmeter

Es gehört zu den Regeln des Elfmetergesetzbuches, dass der Schütze dem wartenden Schlussmann auf der Linie bekannt sein muss. Gehört es aber auch zu den Regeln, dass das Team, das den Strafstoß ausführen soll, gar nicht weiß, wer den Ball nun schießen wird?

In diesem Beispiel werden sowohl Torwart als auch Schütze überrascht. Und jubeln durfte am Ende wohl nur der unerschrockene Flitzer.

Tottis Trainings-Elfmeter

Natürlich wird ein Elfmeter vor allem im Kopf entschieden - ein WM-Finale ist - mit Verlaub - nicht mit dem 17. Spieltag der Regionalliga zu vergleichen. Auch ist die fünfte Minute eines Spiels nicht der zehnte, hochdramatische Versuch im Elfmeterschießen beim Stand von 4:5. Bester Beleg dafür: Lothar Matthäus, der im WM Finale von Rom 1990 nicht schießen wollte, weil er sich in seinen neuen Schuhen nicht wohl fühlte.

Das alles zeigt, dass ein Elfmeter beim Kick mit den Kumpels auf der Wiese in etwa so viel wert ist wie Zeitspiel bei Rückstand - nichts. Dennoch ist es nicht alltäglich, was Francesco Totti hier zeigt. Jetzt müsste eigentlich nur noch die Premiere im Spielbetrieb folgen. Wer jetzt sagt, das traut sich niemand, hat Unrecht. Diab Awana, Nationalspieler der Vereinigten Arabischen Emirate, ist natürlich nicht so elegant wie der Römer Totti. Er testete das Ganze jedoch im Ernstfall. Mit Erfolg.

Deutsche Elfmeter-Wertarbeit

Es soll hier nicht noch einmal intensiv auf den oft gebrauchten Spruch Gary Linekers eingegangen werden, der zu viele deutsche Sieger in seinem Fußballerleben ("Fußball ist ein Spiel mit 22 Spielern und am Ende gewinnen immer die Deutschen") beklagte. Dennoch bewahrheitete sich Linekers Siegesformel im Fußball allzu oft. Kein anderes Land verstand es so erfolgreich, schlechtes Spiel mit gutem Ergebnis zu kombinieren. Das hat sich inzwischen etwas geändert, doch schon immer lobte das Ausland gerne die deutsche Gründlichkeit und schwärmte von deutscher Technik und Produkten "Made in Germany".

Ein solches Produkt - fehlerfrei, sicher, qualitativ hochwertig, dabei aber höchst effizient unter größter Belastung - war der Elfmeter von Andreas Brehme im WM-Finale 1990, der die Deutsche Nationalmannschaft in Rom gegen Argentinien zum Weltmeister machte. Flach und stramm ins linke untere Eck. Argentiniens Torwart Sergio Goycochea hatte zuvor als Elfmeter-Experte brilliert. Gegen Brehmes deutsche Wertarbeit war auch er machtlos.

Der Lattenknaller

Die Latte und der Pfosten werden beim Elfmeterschießen laut Regelwerk wie Luft behandelt. Prallt der Ball also - wie Sportreporter gerne sagen - ans Aluminium, so ist - wie der Bauer sagt - das Heu noch nicht unten. Oder einfach ausgedrückt: Der Elfmeter ist erst dann verfehlt, wenn der Ball das Spielfeld verlässt oder der Torwart den Ball entscheidend abgewehrt hat. Ein Geschoss, das von der Latte in den Himmel entschwebt, kann ohne Probleme dennoch im Netz landen. So steht plötzlich nicht der Schütze dumm da. In diesem Fall ist es der Torwart, der noch viel dümmer dreinblickt.

DIe Billard-Blamage

Doch es geht natürlich immer noch dümmer. Wenn sich der Ball, nachdem man ihn bravourös abgewehrt hat, vor einem auf dem Boden dreht, man das Ganze jedoch nicht mitbekommt, weil man sich wie ein Boxer nach dem Kampf feiern lässt - dann ist der K.o. nicht weit. Khalid Askri, Keeper von FAR Rabat, wurde genau diese Geschichte im marokkanischen Pokal 2010 zum Verhängnis. Gegner Maghreb Fez freute sich über das Missgeschick und den 7:6-Erfolg. Und Askri? Der verdribbelte sich noch im selben Jahr im eigenen Strafraum, kassierte das Tor und rannte daraufhin vom Platz. Man konnte mit dem armen Teufel mitfühlen.

Der Salto-Elfmeter

Baar-Junior Joonas Jokinen ist ein komplizierter Name. Doch er passt zu der Art wie sein Träger Elfmeter schießt. Der junge Finne ist Jugend-Nationalspieler seines Landes und hätte - glaubt man den Bildern - sicher auch auf Turnmatten eine ordentliche Karriere hingelegt. So freut sich das Land der Langläufer und Sauna-Sportler über dieses Talent, das jetzt schon viel mehr hat, als viele talentierten Altersgenossen in den Internaten von Barcelona, London oder München: Ein Markenzeichen.

Mit Dank an unsere Facebook-Freunde Sukram Suivalf, Christopher Kissmann, André van Essen und Bastian Ernstberger.

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