Kroos bei Real Madrid:Toni in der Prügelzone

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Ins Stocken geraten: Toni Kroos (Foto: Getty Images)
  • Nach seinem Wechsel zu Real Madrid gelingt Toni Kroos bei den Madrilenen ein beachtlicher Einstand.
  • Doch vor den Spielen gegen Schalke hat Reals Formtief auch ihn erfasst.
  • Hier geht es zur Tabelle und den Ergebnissen der Champions League

Von Oliver Meiler

Was dichten sie Toni Kroos in Spanien doch für Übernamen an. "Metronom" hört man immer wieder, und beliebt ist auch "Motor", wie alle Anlehnungen an die deutsche Autoindustrie. Nur "Epizentrum" mag nicht so recht passen - nicht zu ihm, zu dieser Ruhe in Person. Was bebt denn schon am kantigen, kontrollierten Kroos?

Doch ob Motor, ob Epizentrum - für Toni Kroos zählt, dass die spanischen Medien überhaupt um Prädikate ringen, seit er für Real Madrid antritt, seit vergangenem Sommer also. Das machen sie nämlich nur bei Akteuren, die dem Spiel erwähnenswerte Impulse geben, einen neuen Stil etwa, eine distinguierte Note. Kroos' Anfänge in Madrid waren brillant, besser noch als in den Träumen von Florentino Pérez, dem Präsidenten, der auf ihn gewettet hatte und gar nicht so viel bezahlen musste: 30 Millionen Euro für einen Weltmeister, frisch gekürt und voller Selbstvertrauen. Bei Real bezahlen sie auch schon mal das Doppelte oder Dreifache für Herrschaften aus Portugal, Wales oder Kolumbien, die in ihrer Karriere wahrscheinlich nie Weltmeister werden.

Als Kroos sein Debüt für Real gab, in Cardiff im europäischen Supercupfinale gegen den FC Sevilla, da stellte ihn Trainer Carlo Ancelotti auf die Achter-Position, also in die Prügelzone vor der Abwehr, wo bis dahin immer Xabi Alonso gespielt hatte. Der Baske war damals noch nicht nach München geflüchtet, er war bloß gesperrt. Gewissermaßen ein Notfall. Doch Kroos gab einen memorablen Einstand, rannte mehr als alle seine Kameraden (11,7 Kilometer), spielte die meisten Pässe (85), von denen 96 Prozent am richtigen Ort ankamen.

Vor allem aber erweckte er den Eindruck, dass er inzwischen nicht nur die Rolle des Spielgestalters im offensiven Mittelfeld beherrscht, seine liebste und angestammte Position, sondern, woran es bisher oft Zweifel gegeben hatte, auch die des Stabilisators zwischen Mittelfeld und Viererverteidigung, des Balleroberers. Oder anders: Er zeigte, dass er den Xabi kann, den Chef mit hochgekrempelten Ärmeln. Der sah das wohl ähnlich - und folgte dem Ruf des FC Bayern. Im November hieß es schon, Kroos habe Alonso vergessen gemacht.

Es war eine wortlose Ablösung. Abwehrchef Sergio Ramos sagte einmal, Kroos spreche eben noch kein Spanisch, man verständige sich deshalb mit englischen Brocken und ein bisschen mit den Händen.

Xabi Alonso dagegen war ein ausdrucksstarker Chef gewesen: Er redete unentwegt, gab laute Anweisungen, nach vorne und nach hinten. Und, obschon des Spanischen natürlich perfekt mächtig, schmückte er sein Dirigieren mit eindeutigen Gesten, in jeder Aktion ein Expressionist. Kroos ist eher ein Impressionist.

Manchmal merkt man ihm noch an, dass er die Beine der Gegner lieber elegant überspringen würde, statt zu grätschen. Aber zu schade ist er sich nicht dafür. Und man lässt ihn ja auch kreieren, wenn der Ball ruht. Er tritt die meisten Ecken und jeden Freistoß aus größerer Distanz, er zieht dann die Bälle auf seine ganz eigene Art kurvig in den Strafraum. In der bisher besten Saisonphase Reals, zwischen Herbst und Weihnachten, funktionierte er auch als Scharnier, als Umschalter auf tosenden Sturm, die Spezialität des Hauses. Eine Zeitung schrieb damals, Reals Mittelfeld sei eine Autobahn mit vier Spuren. Dass der Verkehr darauf flüssig und schnell verlaufe, verdanke man vor allem Kroos. Fast zwei Dutzend Spiele nacheinander gewannen sie so, begeisternd und schnell.

Dabei gab es auch etliche Pannen. Toni Kroos verwand zunächst den Ausfall von Luka Modric, mit dem er ein fixes Duo hätte bilden sollen: Der Kroate verletzte sich so schwer, dass er schon seit bald vier Monaten fehlt. Für ihn kam der junge Spanier Isco, der neue Liebling der Madridistas, dem man aber zunächst beibringen musste, dass Abwehr zum Spiel gehört. Dann verletzten sich Pepe und Ramos, Kroos' erfahrene Hintermänner, die jeweils so hoch standen, nahe an der Mittellinie, dass auch Kroos etwas mehr nach vorne rücken konnte.

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Der Real-Anhang ist nachtragend: Er verzeiht noch nicht, dass Cristiano Ronaldo nach der 0:4-Derbypleite gegen Atlético zur Geburtstagsparty bat. Vor dem Spiel gegen Schalke ist die Stimmung im Verein bedenklich.

Von Oliver Meiler

Ohne die beiden aber erschien Ancelotti die Spielanlage dann zu riskant, er beorderte alle um etwa zehn, 15 Meter zurück. Auch Kroos. Der stand nun plötzlich so tief wie früher Alonso, manchmal gar auf einer Linie mit den Innenverteidigern. Manchmal stellt der Trainer ihm jetzt Asier Illarramendi zur Seite, oder den nicht mehr sehr gewünschten Sami Khedira, beide eher nach hinten orientiert.

Seither stockt das Spiel, vom Beben ganz zu schweigen. Das "Metronom" bleibt zuweilen hängen, der Ball zirkuliert nun langsamer. Kroos, der bislang so viele Spielminuten absolviert hat wie keiner seiner Kollegen, wirkt seit einigen Partien müde - ausgerechnet jetzt, da Europas Könige in Gelsenkirchen das Ende der Winterpause in der Champions League begehen. Matt ist nicht nur Kroos, sondern das ganze Team, außerdem gezeichnet von den vielen Absenzen - und von einer greifbaren Lustlosigkeit. Im Pokal ist man ausgeschieden. In der Meisterschaft steht man zwar noch an der Spitze, musste den FC Barcelona, der gerade seinerseits eine hübsche Siegesserie hinlegt, aber bis auf einen Punkt heranziehen lassen. Da kommt dem Spiel gegen Schalke schon übergeordnete Bedeutung zu. So schnell geht das.

In Madrid fällt man in der Regel rasch vom Sockel. Noch aber hält sich Kroos hoch in der Gunst der Fans, höher als jene, die ihre Formschwäche weniger gut rechtfertigen können als der Dauerläufer aus Deutschland. Ein Wunder, dass man ihn noch nicht "Dieselmotor" nannte.

© SZ vom 18.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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