Kroatien:Rebell in eigener Sache

Kroatien: Begehrt: Hoffenheim will für Kramaric 50 Millionen Euro haben – aber ihn am liebsten behalten.

Begehrt: Hoffenheim will für Kramaric 50 Millionen Euro haben – aber ihn am liebsten behalten.

(Foto: Ozan Kose/AFP)

Hoffenheims Stürmer Andrej Kramaric übernimmt bei der WM die Rolle als Joker - und ist auf dem Transfermarkt begehrt.

Von Tobias Schächter

Andrej Kramaric sagt, er sei kein guter Tänzer. Das hätten alle Mädchen erklärt, die bisher mit ihm getanzt haben. Ein guter Skifahrer sei er auch nicht. Er habe seine Karriere als kleiner Junge nach 30 Metern mit einem Sturz beendet. Andrej Kramaric aber ist auf dem Fußballplatz beweglich wie ein Tänzer, der seine Gegner wie Slalomstangen stehen lässt, er sagt: "Ich kann die Richtungen beim Dribbling sehr schnell ändern, das stimmt. Das konnte ich schon als Kind, wahrscheinlich ist es Veranlagung."

Mit dieser besonderen Gabe hat es der Offensivspieler der TSG Hoffenheim in die Nationalmannschaft Kroatiens geschafft. An diesem Donnerstag trifft Kroatien auf Argentinien. Nach dem 2:0-Auftaktsieg gegen Nigeria herrscht Euphorie um die Vatreni, "die Feurigen". Wieder einmal. Jener Überschwang nach Erfolgen, der zu Bequemlichkeit führen kann, stand den prägenden Spielern Luka Modric, 32 (Real Madrid), Mario Mandzukic, 32 (Juventus Turin), und Ivan Rakitic, 30 (FC Barcelona), schon oft im Weg. Diesmal drohte wie 2010 das Aus schon in der WM-Qualifikation. Kramaric, 27, sicherte durch zwei Tore beim 2:0 im letzten Gruppenspiel in der Ukraine die Playoffs, in denen sich Kroatien dann gegen Griechenland durchsetzte. Damals erklärte er die Mentalität der hochbegabten Auswahl so: "Wir haben viele Spieler, die in den besten Klubs der Welt spielen. Vielleicht haben wir gedacht, das reicht." Nun aber wollen die Kroaten ihre wahrscheinlich letzte Chance wahrnehmen und aus dem Schatten der Generation von 1998 treten, die mit ihrem dritten Platz bei der WM in Frankreich bis heute gefeiert wird.

In ihrer besten Verfassung braucht die Elf vor keiner Mannschaft der Welt Angst zu haben, auch nicht vor Argentinien. Trainer Zlatko Dalic, der erst vor dem Ukraine-Spiel für den gefeuerten Ante Cacic übernahm, wird die Taktik gegenüber dem ersten Spiel vermutlich ändern. Um Lionel Messi weniger Raum zu geben, wird wohl Mittelfeldspieler Milan Badelj spielen. Einer der vier Offensiven, entweder Ante Rebic oder Kramaric, könnte in die Jokerrolle schlüpfen.

Kramaric ("Man geht los und versucht, alles zu geben") hat es im kroatischen Fußball auf seine ganz eigene Art ganz nach oben geschafft. Gegen massive Widerstände. In Zagreb geboren, durchlief er die Jugend von Serienmeister Dinamo bis in die erste Mannschaft. Trotz guter Leistungen aber wurde er bei den Profis plötzlich nicht mehr so oft eingesetzt. Kramaric hatte sich geweigert, eine Zusatzvereinbarung mit dem damaligen Dinamo-Präsidenten Zdravko Mamic zu unterzeichnen, die diesem 20 Prozent seines Einkommens bis zum Karriereende und Ablösebeteiligungen sichern sollten. Kurz vor WM-Start sind Mamic und seine Helfer zu Gefängnisstrafen wegen Steuerhinterziehung und Bereicherung bei Transfers von Dinamo-Stars ins Ausland verurteilt worden. Die Kriminalgeschichte belastet auch das Nationalteam, Kapitän Luka Modric hat eine Anklage wegen Falschaussage in dem Prozess am Hals. Gegen Verteidiger Dejan Lovren vom FC Liverpool wird wegen des Verdachts auf Falschaussage ermittelt. Kramaric hatte sich dem Zugriff des Mamic-Clans widersetzt, im November 2017 sagte er der SZ: "Als ich jung war, habe ich bestimmte Dinge nicht akzeptiert. Die Dinge haben sich in eine falsche Richtung entwickelt, obwohl Dinamo mein Klub war."

Kramaric wechselte nach Rijeka, dann zu Leicester City und spielt nun seit zweieinhalb Jahren in Hoffenheim. Die TSG ließ sich die Künste des vielseitigen Stürmers rund elf Millionen Euro kosten - Vereinsrekord. In der vergangenen Rückrunde gehörte er zu den stärksten Spielern, die TSG schaffte den Einzug in die Champions League. Insgesamt 33 Tore und 20 Vorlagen in 83 Bundesligaspielen stehen in Kramarics Statistik. TSG-Trainer Julian Nagelsmann hält große Stücke auf den unberechenbaren Dribbler und baute ihn nach einer schwachen Hinrunde wieder auf. Ein verschossener Elfmeter im Hinspiel der Champions-League-Qualifikation gegen Liverpool hatte ihm zugesetzt, nur zwei Tore gelangen ihm in der Hinrunde.

Kramaric fühlt sich wohl in Hoffenheim, er mag den Klub, die Mitspieler. Über Nagelsmann sagt er: "Julian hat alles, um einer der größten Trainer überhaupt zu werden." Doch Kramaric steht längst im Fokus größerer Vereine. Vor der WM erklärte er, ein möglicher Wechsel beschäftige ihn erst nach dem Turnier. Dass er wie Nationalmannschaftskollege Rebic aus Frankfurt in kroatischen Medien mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht wird, ist nicht verwunderlich. Der neue Bayern-Trainer Niko Kovac gilt als Förderer der beiden und verhalf ihnen als Nationaltrainer Kroatiens zu ihren Länderspieldebüts.

Im Winter lehnte die TSG ein 30-Millionen-Angebot aus Italien ab. Was aber passiert, wenn Kramaric mit Kroatien bei der WM weiter erfolgreich die Gegner austanzt, ist eine spannende Frage: Manager Alexander Rosen erklärte, erst ab einer Summe von 50 Millionen Euro über einen Wechsel nachdenken zu wollen. Eigentlich wollen sie ihn nicht hergeben.

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