Kroatien:Letzte Chance für Kroatiens Hochkaräter

Ivan Rakitic, Mario Mandzukic

Ivan Rakitic und Mario Mandzukic (links): Mit der Nationalmannschaft hatten sie bisher noch nicht viel Glück.

(Foto: AP)

Die Generation um Luka Modric und Ivan Rakitic galt jahrelang als großes Versprechen der kroatischen Auswahl. Doch langsam läuft diesen talentierten Spielern die Zeit davon.

Von Tobias Schächter, Paris

Ivan Rakitic, 28, hat die Champions-League 2015 mit dem FC Barcelona gewonnen, Luka Modric, 30, mit Real Madrid jüngst sogar schon zum zweiten Mal. Mit der kroatischen Nationalmannschaft aber ist die Bilanz der beiden Weltklassespieler ernüchternd: Bei der EM 2012 und der WM 2014 scheiterte Kroatien jeweils schon in der Gruppenphase, die WM 2010 fand sogar ohne Kroatien statt. Ein weiteres frühes Aus bei der EM in Frankreich wäre die endgültige Desillusionierung einer vielversprechenden Generation. Das weiß auch Rakitic. An diesem Sonntag starten die Kroaten ins Turnier, gegen die Türken, gegen die sie bei der EM 2008 nach einem denkwürdigen Spiel im Viertelfinale gescheitert sind. Rakitic findet: "Modric hat es gut gesagt vor wenigen Tagen: Es ist die Zeit gekommen, dass wir etwas Großes mit der Nationalmannschaft erreichen."

Kroatiens Nationalmannschaft ist mit ihren vielen international hochkarätigen Spielern wieder einmal ein Versprechen. Aber kann sie es ausgerechnet jetzt einlösen? "Vielleicht", sagt Davor Suker, "ist Frankreich ja ein gutes Omen." Suker ist Präsident des kroatischen Fußballverbandes und erinnert nicht ohne Grund an die WM 1998. Damals war er noch ein Weltklassestürmer, der den kroatischen Fußball als bester Torjäger des Turniers zum größten Erfolg seiner Geschichte schoss - die "Vatreni" wurde Dritter. Suker ist mittlerweile ein zwielichtiger Funktionär. Und ein Meister darin, die Probleme wegzulächeln. So war das auch vergangene Woche in Rijeka, nachdem die Nationalmannschaft den letzten, nun ja, Test mit 10:0 gegen San Marino gewonnen hatte. Suker lächelte ebenso jede kritische Anspielung zum fragwürdigen Testgegner weg wie Fragen zur dürftigen Kulisse. Nur 3500 Zuschauer waren nach Rijeka gekommen, um die Mannschaft vor der Reise ins mondäne EM-Quartier in der Normandie zu verabschieden.

Korruption, Kungelei und Fanprobleme belasten die Mannschaft

In der Heimat schwingt auch Skepsis über die Aussichten der Mannschaft mit, nicht nur wegen der schweren Gruppe, in der neben den Türken die favorisierten Spanier und die Tschechen um den Einzug ins Achtelfinale konkurrieren. Der kroatische Fußball hat durch die vielen Skandale in den letzten Jahren an Rückhalt verloren. Und die Probleme des von Korruption, Kungelei und Fanproblemen geprägten Sports belasten die Elf auch vor der EM.

Beispielsweise löste die Nichtnominierung des 19 Jahre alten Supertalents Alen Halilovic eine Kontroverse aus. Nationaltrainer Ante Cacic, 62, verzichtete auf den zuletzt vom FC Barcelona an Gijón ausgeliehenen Dribbelkünstler mit dem Hinweis, diesem gehöre die Zukunft. Dass er aber gleichzeitig den noch jüngeren Ante Coric von Dinamo Zagreb nominierte, passte nicht zu der Äußerung.

Welcher junge Spieler darf ins EM-Schaufenster - und wer warum nicht?

Das förderte Spekulationen, Cacic habe die Entscheidung nicht alleine getroffen, die Macher von Dinamo hätten Einfluss genommen. Der hochbegabte Coric und der ebenfalls nominierte Dinamo-Spieler Marko Rog, 20, sollen bei der EM ins Schaufenster für einen lukrativen Wechsel gestellt werden, heißt es. Coric wird nun mit West Ham United in Verbindung gebracht, wo der ehemalige kroatische Nationalcoach Slaven Bilic Trainer ist. Halilovic' Berater Zoran Stojadinovic vermutet, dass bei der EM-Kadernominierung nicht nur die Interessen der Nationalmannschaft eine Rolle gespielt haben. Auch Miroslav "Ciro" Blazevic, mittlerweile 81-jähriger Trainer der 98er-Mannschaft, mischte sich ein: "Der Verzicht auf Halilovic ist für jeden meiner Kollegen unbegreiflich, und für mich besonders. Alen ist dafür geboren, der Joker zu sein, um mit seinen Eigenschaften einen, zwei oder drei Spieler auszuspielen. Und jetzt schafft er es nicht in den Kader? Ich finde, da stimmt was nicht!"

Dass solche Spekulationen aufkommen, erklärt ein Blick in die jüngste Vergangenheit. Dinamos ehemaliger Präsident Zdravko Mamic, der auch Vize-Präsident im Fußballverband ist, steht unter Anklage, in der Vergangenheit mindestens 15,5 Millionen Euro bei Transfers von Dinamo-Profis ins Ausland an der Steuer vorbei gelenkt zu haben. Der übel beleumundete Mamic ist zwar von seinen Ämtern zurückgetreten, gilt aber noch immer als mächtigster Strippenzieher. Jüngst ist er aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Wieder einmal. Trainer Cacic, der in der Endphase der Qualifikation Niko Kovac abgelöst hatte, ist ein Mann ohne Meriten, aber mit Dinamo-Vergangenheit. In Kroatien heißt es, er sei der Trainer von Mamic' Gnaden. Man darf gespannt sein, ob Cacic die Autorität hat, um die Stars auf einen gemeinsamen Weg einzuschwören. Auf seinen besten Abwehrspieler Dejan Lovren (FC Liverpool) verzichtet er, weil dieser bei einem Freundschaftsspiel das Warmmachen verweigert und öffentlich einen Stammplatz gefordert hatte.

Wie sehr sich das auf die Leistung der Mannschaft auswirkt, dürfte schon das erste Gruppenspiel am Sonntag in Paris gegen die Türkei zeigen.

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