Kritik an Moskau-Reise:"Günstlingsbesuch beim Autokraten"

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Clemens Tönnies und Schalke 04 in der Kritik (Foto: picture alliance / dpa)

In der Ukraine droht die politische Situation zu eskalieren. Aufsichtsratchef Clemens Tönnies bekräftigt dennoch das Schalker Vorhaben, Moskau und den Kreml zu besuchen. Dafür erntet der Klub heftige Kritik aus der Politik.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Katrin Göring-Eckardt aus Friedrichroda in Thüringen gehört zu den besonders leidenschaftlichen Schalke-Fans im Bundestag. Die grüne Fraktionsvorsitzende sieht ihre Vereinsliebe dieser Tage jedoch heftig auf die Probe gestellt, sie hat sogar erwogen, ihre Mitgliedschaft zu kündigen. Anlass ihres Zweifelns sind die geschäftlichen Aktivitäten des Schalker Aufsichtsratschefs Clemens Tönnies in Russland und eine Reihe von Äußerungen, mit denen er den Verein aus Gelsenkirchen in eine politische Debatte manövriert hat.

Im Interview mit dem Handelsblatt hatte Tönnies am Mittwoch zum wiederholten Male über einen Besuch der Schalker Mannschaft im Kreml in Moskau gesprochen. Die Annahme einer entsprechenden Einladung des Hausherren Wladimir Putin hatte er zwar schon vor zwei Monaten angekündigt, das Problem besteht nun aber darin, dass er auch unter dem Eindruck der eskalierenden Krise in der Ukraine von dem Reiseversprechen nicht abrückt.

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Schalke-Boss Clemens Tönnies nimmt vorerst Abstand von der angekündigten Reise zu Russlands Staatschef. Bayern-Basketballer Malcolm Delaney wird zum MVP in der BBL gewählt. Michel Platini kündigt harte Strafen wegen des Financial Fairplays an.

Schalke empfindet die Debatte als unangenehm - zumal sie bereits als überstanden betrachtet wurde

Tönnies vertritt die Meinung, dass der Besuch in Moskau ein Thema des Sports und kein Thema der Politik sei, und er sieht auch keinen Anlass, die Geschäftsbeziehung zum russischen Trikotsponsor Gazprom zu überdenken. Göring-Eckardt ist gegenteiliger Ansicht: "Es ist immer unglaubwürdig, wenn behauptet wird, sportliche Großereignisse oder Profifußball hätten nichts mit Politik zu tun, insbesondere wenn dies Funktionäre sagen und nicht Sportler." Im Fall von Clemens Tönnies unterstellt sie sogar "eine kalkulierte Lüge", die dazu diene, seine Investitionen und geschäftlichen Interessen in Russland zu befördern: "Der Besuch im Kreml ist kein Sightseeing-Termin, sondern ein politischer und wirtschaftlicher Günstlingsbesuch beim Autokraten."

Auch der CDU-Generalsekretär Peter Tauber kritisierte die Aussagen des ostwestfälischen Fleischfabrikanten, Schalke dürfe sich nicht "instrumentalisieren lassen", sagte er. SPD-Vorstandsmitglied Joachim Poß, ebenfalls dem FC Schalke angehörig, äußerte die Sorge, der Wirbel um die Visite belaste die Anstrengungen der Mannschaft im Bundesliga-Finale.

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Dass die Profis Sead Kolasinac und Felipe Santana mitten in der Trainingswoche vor dem nächsten Spiel bei einer nächtlichen Party in einer Kölner Diskothek erwischt wurden, halten die sportlich Verantwortlichen derzeit zwar für die größere Betriebsstörung. Aber die moralische Debatte um den Besuch bei Putin und das Geld von Gazprom wird in Schalke durchaus als unangenehm empfunden. Zumal da man glaubte, sie bereits überstanden zu haben. Tönnies' Engagement in Russland, sein ständiges Betonen der Nähe zu Wladimir Putin und die Zusage für die Reise nach Moskau waren schon beim Aufkommen der Krim-Krise Anfang März ein Streitfall, der in der Anhängerschaft stark diskutiert wurde.

Ein Vereinsmitglied rief den Ehrenrat an, eine Art Schiedsgericht, um klären zu lassen, ob die Reise mit der Satzung vereinbar wäre. Seine Initiative fand nicht nur in deutschen Medien Beachtung, auch ausländische Zeitungen berichteten ausführlich. Über den Ausgang des Verfahrens wurde aber nicht mehr berichtet, Schalkes Krim-Krise schlummerte ein. Die Eingabe des Vereinsmitglieds Roman Kolbe wurde im Ehrenrat - dem unter anderem der ehemalige Torjäger Klaus Fischer und der frühere Stadion-Pfarrer Hans-Joachim Dohm angehören - besprochen und beigelegt. Der Initiator meldete sich verabredungsgemäß nicht mehr zu Wort.

Mit Gazprom ist Schalke seit 2006 verbunden, der Vertrag mit dem Energiekonzern gilt bis 2017, angeblich bringt er dem Verein pro Jahr rund 15 Millionen Euro ein. Die Schalker Verantwortlichen heben hervor, dass Gazprom zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die Vereinspolitik genommen habe. Göring-Eckardt wünscht sich, dass der Verein nach Ablauf des Vertrages mit Gazprom einen Partner sucht, der "den Schalker Prinzipien von Demokratie und Meinungsfreiheit besser entspricht".

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Tönnies ließ am Donnerstag klarstellen, dass es weder einen Termin für die Moskaureise gebe noch irgendwelche Erwägungen, wann der Flug stattfinden könnte. Und er verwies auf eine Passage im Interview, die in der neuerlichen Aufregung außer Acht geraten war: "Uns ist nicht egal, was Russland macht - da haben wir ein hohes Maß an Verantwortung. Aber es wird eine Zeit nach der Krise geben. Wir dürfen nicht alle Bande zerreißen."

© SZ vom 25.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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