Krise des Hamburger SV:Vielen Dank fürs Alibi

Fünf Spiele, ein Punkt: Der HSV befindet sich in einer äußerst misslichen Lage. Gut möglich, dass die Hamburger da auch nicht mehr rauskommen. Der Vorstand hat zwei gravierende Fehler begangen, die sich nicht mehr reparieren lassen.

Jörg Marwedel

Man kann Frank Arnesen in seinem neuen Job als Sportchef des Hamburger SV schon manches vorhalten. Zum Beispiel, dass er "deutsche Spieler gar nicht richtig kennt", wie es der TV-Experte Jens Lehmann süffisant formulierte. Deshalb habe er nur Nachwuchsspieler seines früheren Klubs FC Chelsea und den Skandinavier Skjelbred geholt, bevor er kurz vor Ende der Transferphase Ende August in dem Kaiserslauterer Ivo Ilicevic doch noch einen Bundesligaprofi verpflichtete.

Werder Bremen -  Hamburger SV

Paolo Guerrero verlässt mit gesenktem Kopf den Platz: Sein Hamburger SV hat auch gegen Bremen verloren.

(Foto: dpa)

Dies könne auch, wie Lehmann spöttisch ausführt, die Dienstzeit des Trainers Michael Oenning verlängern, der momentan mit dem Team vom letzten Tabellenplatz aus grüßt - weil Arnesen vielleicht auch "keine deutschen Trainer kennt und erst einmal Recherche betreiben muss".

Es ist möglich, dass dem Dänen Arnesen mit seiner Entscheidung, den früheren Assistenten Oenning dauerhaft zum Cheftrainer zu befördern, gleich zu Beginn seiner Amtszeit der erste gravierende Missgriff unterlaufen ist. Denn Oenning ist vielleicht eher Kumpel als ein wirklicher Stratege.

Den zweiten Fehler aber hat er zusammen mit Oenning und dem HSV-Vorstand gemacht. Man hat diese Saison nach dem Abgang vieler alter, berühmter Spieler wie Zé Roberto, Rost oder van Nistelrooy und der misslichen pekuniären Lage zur "Übergangssaison" erklärt. Doch was, bitte, ist im Profifußball eine Übergangssaison? Eine Spielzeit, in der es keine richtigen Ziele gibt, außer dem, nicht abzusteigen?

Dieses Wort dient dazu, den HSV-Fans klarzumachen, dass eine neue, bescheidenere Politik Einzug gehalten hat. Aber dient es nicht auch den Profis als eine Art Alibi? Es kann dazu führen, dass plötzlich in einer Mannschaft die innere Spannung fehlt. Die Kunst besteht vermutlich darin, ein Team zu reparieren, ohne Ausreden zur Verfügung zu stellen. Man muss gewissermaßen am lebenden, am laufenden Objekt operieren.

Wie Anfang der Siebziger

Eigentlich scheint der HSV noch zu gute Spieler im Kader zu haben, um abzusteigen. Doch wenn das Gebilde erst einmal ins Rutschen gerät, wird es gefährlich. Nimmt man die von Oenning gelobte "Entwicklung" zum Maßstab, könnte man am Volkspark am Ende froh sein, wenn sich in Freiburg, Kaiserslautern oder Aufsteiger Augsburg doch noch Mannschaften finden, die schlechter abschneiden.

Das HSV-Team ist übrigens ähnlich jung wie jenes Anfang der siebziger Jahre. Damals wurde mit dem 18-jährigen Kaltz, mit Kargus oder Memering die beste Ära des Klubs eingeleitet. Allerdings: Damals fehlte nicht viel, dann wäre dieses verjüngte Team abgestiegen.

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