Krise des BVB:Ende der Verklärung

Der Fußball des BVB ist fast unsichtbar geworden. Dass alles von selber wieder gut wird, ist ein nostalgischer Trugschluss. In Dortmund müssen sie Abschied nehmen von alten Gewohnheiten und Denkverboten.

Kommentar von Freddie Röckenhaus, Dortmund

In Dortmund war alles so friedlich - an Weihnachten. Die Branche war voller Bewunderung wegen dieses Kontrast-Programms zu den angeblichen Gesetzmäßigkeiten des Fußballs. Der Trainer der Borussia, Jürgen Klopp, hatte sich - nach einigem Augenreiben über den 17. Platz seiner Mannschaft und angesichts der bis dahin bereits zehn Bundesliga-Niederlagen - für eine klare Strategie ausgesprochen: Weiter so, weiter wie bisher!

Gutes Trainingslager machen, Kraft tanken - und dann mit Karacho zurück in die sonnige Vergangenheit! Geändert werden musste nichts. Auch sein Chef, der Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, erntete Lob: keine Drohkulissen für die Spieler, stattdessen Nüchternheit. Getreu der Devise: Was jahrelang gut war, kann nicht auf einmal schlecht sein! Man müsse, so lautete die Ansage, die Mannschaft selbst am Saisonende nicht groß umbauen.

In der schwachen Bundesliga-Hinrunde konnten sich die BVB-Anhänger ja noch mit den Erfolgen in der Champions-League trösten. Und die Liga-Niederlagen im Herbst wurden wenigstens von amüsanten Statistiken (22:5 Torchancen) begleitet. Selbst die unwirklichsten Rückschläge boten bisweilen noch irgendwie unterhaltsamen Sport.

Im Team ist der Wurm drin, der Trainer findet keinen Hebel

Inzwischen aber wird das Ausmaß der spielerischen Krise immer deutlicher, trotz besserer Punkteausbeute in der Liga. Borussias Offensive scheint seit Wochen nicht mehr vorhanden zu sein. Batman und Robin, in deren Masken die Torschützen Reus und Aubameyang neulich den Derby-Sieg gegen Schalke gefeiert hatten, sind nicht mehr in der Stadt.

Die Welt des Fußballs dreht sich schnell. Wer gestern noch Trends setzte und weit vorne war wie Klopp mit dem BVB-Überfallfußball, der kann heute schon überholt sein. Klopp analysiert die Spiele seiner Elf immer noch beeindruckend richtig, aber er findet im Moment nicht den Hebel, um etwas zu verändern. Die Nulllösungen seiner Offensive hat er bisher nicht abstellen können. Theoretisch kann Dortmund noch DFB-Pokalsieger werden oder sich über Platz sechs oder sieben für die Europa League qualifizieren. Aber dass über kurz oder lang von selber alles wieder gut wird, ist wohl ein Trugschluss - und die Champions League ist frühestens im Herbst 2016 wieder ein Thema. Beim BVB werden sie Abschied nehmen müssen von alten Gewohnheiten, von nostalgischer Verklärung - und von Denkverboten. Gegen Juventus ist der Fußball der Borussia fast unsichtbar geworden. Der Trainer wird einen neuen Fußball sichtbar machen müssen.

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