Krise beim FSV Mainz:"Du bist für mich das Gewissen der Liga"

Lesezeit: 3 min

Martin Schmidt bekam schon vor dem Spiel in Freiburg Aufmunterung von Kollege Christian Streich. (Foto: AFP)
  • Beim FSV Mainz 05 läuft es seit Wochen nicht - Trainer Schmidt soll trotzdem nicht entlassen werden.
  • Sein Kollege Christian Streich muntert den Schweizer auf. Der findet emotionale Worte nach dem 0:1 in Freiburg.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Selten haben die Bilder nach Schlusspfiff schlechter zum Geschehen während der Partie gepasst als nach dem Freiburger 1:0-Sieg gegen Mainz 05. Minutenlang wurden die Freiburger Spieler vor der eigenen Fankurve gefeiert, inklusive La Ola und dem Evergreen "Nie mehr Zweite Liga." Tatsächlich dürfte selbst der größte Pessimist in der 220.000-Einwohner-Stadt, ein gewisser Christian Streich, nun beruhigt in die nähere Zukunft blicken. Sein Team hat 41 Zähler auf dem Konto und rangiert (zumindest bis Sonntag) auf Platz fünf, der Klassenerhalt ist damit also unter Dach und Fach. Und doch wirkten die Jubelbilder vor der Freiburger Nordtribüne reichlich deplatziert angesichts des ungeheuer schwachen Fußballspiels, das beide Mannschaften den 24.000 Zuschauern zuvor zugemutet hatten.

Das Bild, das die Quintessenz des Spiels weit besser zusammenfasste, knipsten die Fotografen deshalb auch in der Mainzer Spielhälfte. Dort standen nach dem Schlusspfiff die beiden Trainer, Martin Schmidt und Christian Streich, mit dem Mainzer Sportdirektor Rouven Schröder zusammen und steckten längere Zeit die Köpfe zusammen. Es hätte das letzte Bild in dieser Konstellation sein können - aber Mainz ist eben Mainz. Und Mainz bleibt Mainz. Schmidt wird auch gegen Hertha BSC am kommenden Wochenende auf der Bank sitzen, obwohl es für sein Team alles andere als gut läuft.

"Mainz 05 steht im Vordergrund. Ich bin da nicht so wichtig"

Am Samstag hatte Schmidt noch so geklungen: "Mainz 05 steht im Vordergrund. Ich bin da nicht so wichtig", sagte er in der Pressekonferenz. Wohlwissend, dass sein Team zwar nicht schlechter gewesen war als die schwachen Freiburger, aber eben auch nicht viel gezeigt hatte, das Hoffnung fürs Saisonfinish macht. Am Sonntag bestätigten die Mainzer immerhin: Schmidt soll Trainer bleiben - und zwar bis zum Saisonende.

Dazwischen lag ein Spiel, das wenig zu bieten hatte. In die Pause gingen beide Mannschaften jedenfalls, ohne eine einzige Torchance gehabt zu haben, erst nach dem Seitenwechsel bekamen die Chronisten endlich etwas zu notieren: Der Mainzer Pablo de Blasis zwang SC-Keeper Alexander Schwolow zu einer Fußabwehr (48.). Und dann hatte Mainz sogar noch eine echte Torchance: Mit dem Mut der Verzweiflung zog Fabian Frei aus gut 25 Metern ab - und zwang Schwolow zu einer tollen Parade (88.).

Petersen trifft: 27 Sekunden nach seiner Einwechslung

Zu diesem Zeitpunkt lag der Sportclub allerdings bereits eine Weile mit 1:0 vorne. Und das aus zwei Gründen: Zum einen hat der Sportclub zur Zeit einfach oft Glück in seinen Spielen. Und zum anderen hat der SC in Nils Petersen einen Spieler auf der Bank, der, wenn er eingewechselt wird, nicht lange braucht, um ein Tor zu schießen. Diesmal waren es handgestoppte 27 Sekunden, die zwischen seiner Einwechslung und dem spielentscheidenden Tor lagen. Bevor Petersen zum ersten Ballkontakt und dem Torschuss kam, hatte 05-Keeper Jannik Huth im Strafraum Danny Latza umgerempelt. Und da der am Boden liegen geblieben war, stand Petersen bei seiner Direktabnahme eines Passes von Lukas Kübler nicht im Abseits (70.).

FC Bayern
:Die Sirene schrillt wegen Lewandowski

Als der Stürmer beim 4:1 gegen den BVB vom Feld muss, verstummen die Gesänge der Bayern-Fans. Was bedeutet seine Schulterverletzung für das Real-Match?

Aus dem Stadion von Saskia Aleythe

Die Freiburger Fans waren in diesem Moment zum ersten und einzigen Mal während der 90 Minuten vor Freude aus dem Häuschen. Die Einwechslung des Mannes, der gegen Mainz seinen achten Saisontreffer erzielte, war mit "Jetzt geht`s los" - Rufen bedacht worden. Wohl wissend, dass gute Fußballspiele ja deutlich vor der 69. Minute losgehen.

Streich hält erneut ein Plädoyer für Schmidt

Dass es kein gutes Fußballspiel war, das da geboten wurde, gaben nach dem Spiel beide Trainer zu. Wenngleich man die Streich`sche Aussage, dass "Mainz fußballerisch besser" war, getrost als erneutes Plädoyer für den Kollegen sehen darf. Genau wie die Aussage, Mainz sei "eine absolut intakte Mannschaft, keine Frage."

Kollege Schmidt haderte auch nur kurz mit dem Spielverlauf und damit, dass "wir im Moment unsere eigenen Spieler zu Fall bringen" und äußerte sich ausführlich zu seiner persönlichen Situation. Dass Streich ihm im Vorfeld beigesprungen war, indem er es ein "Unding" nannte, einen Trainer, der "eine Toparbeit" mache, in Frage zu stellen, habe ihm gutgetan. "Du bist für mich das Gewissen der Liga. Meinem Umfeld und meiner Familie hat das gutgetan."

"Er ist unser Trainer. Das ist Stand jetzt."

Er selbst, so Schmidt weiter, sei sich jedoch nach der fünften Niederlage in Folge "bewusst, dass der Trainer im Fokus" sei. Selbst im beschaulichen Mainz, wo zuletzt jahrelang vieles gut lief, gelten schließlich die Erfolgszwänge des Ligabetriebs: Ein Trainer, der oft verliert, kann sich seines Jobs leider nicht sicher sein.

Sportdirektor Schröder vermied zunächst ein Bekenntnis zu seinem Coach und betonte, man werde "das Spiel am Sonntag in aller Ruhe analysieren." Tags darauf folgten dann wieder versöhnlichere Töne. "Wir werden das bis zum Ende mit ihm durchziehen. Wir drehen die Mechanismen um. Jetzt geht es nur vorwärts", sagte Schröder am Sonntag nach dem Training. "Wir sind alle wahnsinnig enttäuscht, aber jetzt werden wir noch sechs Spiele Vollgas geben. Martin Schmidt hat das einhundertprozentige Vertrauen", folgerte er schließlich doch noch entschlossen. In Mainz ist es höchste Zeit für ein paar positivere Bilder.

© SZ vom 09.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Abstiegskampf
:Wenig Geld = wenig Punkte

Im Keller der Bundesliga stehen jene vier Klubs mit dem geringsten Etat. Nur ein Klub wehrt sich gegen diesen Trend - weil er seine Identifikationsfigur behalten hat.

Von Christof Kneer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: