Krise beim 1. FC Nürnberg:Seufzen und hoffen

1. FC Nuernberg v SpVgg Greuther Fuerth - Second Bundesliga

Richtig gut ist die Laune beim 1. FC Nürnberg derzeit nicht: Even Hovland (r.) nach der Niederlage gegen Fürth.

(Foto: Micha Will/Getty Images)

Beim Club ist die Stimmung so schlecht wie der Tabellenstand. Ein Sieg gegen Bielefeld käme dem in der Kritik stehenden Trainer gelegen. Doch vieles spricht dafür, dass die großen Ambitionen unrealistisch sind.

Von Christoph Ruf, Nürnberg

Andreas Bornemann hat am Freitag eine längere Autofahrt hinter sich gebracht. Er fuhr nach Braunschweig, wo der derzeitige Zweitliga-Tabellenführer Fortuna Düsseldorf empfing. Was der Nürnberger Sportvorstand dort sah, war eine Mannschaft, die erneut gewann und damit 18 Zähler auf dem Konto hat - 16 mehr als der Club, der mit ähnlichen Ambitionen gestartet war und am Sonntag in Bielefeld spielt. Nürnberg kämpft dort um seine Punkte drei bis fünf.

Braunschweig, findet Bornemann, hat nach dem Bundesliga-Abstieg im Sommer 2014 vieles richtig gemacht: "Die haben auch erst mal Substanz verloren, aber Geld zurückgelegt, um Stück für Stück wieder Substanz aufzubauen." Ganz anders als der Club, der im gleichen Jahr wie die Niedersachsen abstieg, alles in den sofortigen Wiederaufbau investierte, scheiterte - und das Geld ein für allemal verlor. Und die Substanz? Bornemann will über seinen Vorgänger Martin Bader jetzt nichts mehr sagen, außer den interpretationsfähigen Satz, dass der "auch vieles richtig gemacht" habe. Beim 1. FC Nürnberg, das wissen sie selbst am besten, ist aber vor allem vieles nicht richtig gemacht worden. Und damit kämpfen die Verantwortlichen in diesen Tagen.

Alois Schwartz sagt, er sei "ja nicht von heute auf morgen ein Blinder geworden"

Das Gefühl, für vieles haftbar gemacht zu werden, das er selbst nicht verantworten kann, hat offenbar auch Alois Schwartz. Zumindest hat das der Trainer, den einige Fans als Hauptverantwortlichen für die niederschmetternde Bilanz von zwei Punkten, 17 Gegentoren und vier Niederlagen in Serie ansehen, am Freitag durchblicken lassen: "Wir sind hier mit einer Riesenhypothek angetreten, die vielleicht gar nicht so nach außen gedrungen ist. Dass es schon nach dem zweiten Spieltag Gegenwind gibt, war für mich bedenklich." Er sei "ja nicht von heute auf morgen ein Blinder geworden." Tatsächlich gibt es Gründe dafür, dass diese Mannschaft nicht annähernd die Leistung von der vergangenen Saison abrufen kann, in der man unter René Weiler mit Karo-Einfach-Fußball Dritter wurde, das Maximum rausholte.

Der einfachste und wichtigste Grund: Die Mannschaft ist schlicht nicht mehr dieselbe. Mit Niclas Füllkrug wechselte der beste Torschütze der vergangenen Saison nach Hannover. Sebastian Kerk, einer der wenigen, der für so etwas wie Spielkultur stand, spielt nun in Kaiserslautern. Danny Blum ging zu Eintracht Frankfurt, und bereits während der Saison war Alessandro Schöpf nach Schalke gegangen, der beste Nürnberger Individualist.

Es ist also der Weggang von vier Spielern zu verzeichnen, die nicht so einfach zu ersetzen sind. Zumal dann nicht, wenn der überstrapazierte Etat nicht mehr hergibt als Spieler vom Format des derzeit verletzten Enis Alushi oder Tobias Kempe, die für das stehen, was der Club partout nicht sein will: solides Zweitliga-Mittelmaß. Dass Torwart-Routinier Raphael Schäfer sich verletzte, war so fatal wie der längerfristige Ausfall von Patrick Erras und Georg Margreitter. Und dass Angreifer Guido Burgstaller so lange brauchen würde, um die Enttäuschung zu verkraften, nicht nach Freiburg wechseln zu dürfen, war nicht förderlich fürs Punktekonto.

Wäre es nicht besser gewesen, andere Ziele auszugeben?

Andererseits: Platz 18 erklärt das alles genausowenig wie das haarsträubende Defensivverhalten einer eigentlich eingespielten Abwehr.

Die Club-Verantwortlichen müssen sich der Kritik stellen, ob es nicht redlicher gewesen wäre, rhetorisch einen Kurswechsel einzuleiten. Wäre es nach all den Abgängen und dem Wissen ums Missmanagement der vergangenen Jahre nicht der ideale Zeitpunkt gewesen, ehrlich einen Neuanfang auszurufen, der die Geduld der vom Aufstieg träumenden Fans erfordert, aber mittelfristig Erfolg verspricht? Bornemann seufzt. "Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir mit dieser Mannschaft Erfolg haben können und auf dieser Basis Stück für Stück etwas aufbauen."

Dazu wäre jetzt allerdings die Ruhe vonnöten, die nur sportliche Erfolge bringen können. "Wir spielen jetzt in Bielefeld und dann gleich am Freitag gegen Union...", sagt Bornemann. Und er klingt dabei tatsächlich wie jemand, der daran glaubt, dass die Mannschaft in diesen Spielen die sechs Punkte gewinnen kann, die sie so dringend braucht.

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