Krise bei den Niederlanden:Ein Kunststück muss her

Netherlands training

Sie machen den Unterschied: Arjen Robben (vorne) und Assistenztrainer Marco van Basten.

(Foto: dpa)

Von Jan Götze

Marco van Basten hat in seinem Fußballerleben viele schöne Momente gesammelt. Einen besonders glücklichen erlebte er an einem Sommertag 1988 in Deutschland: Da streckte sein Mannschaftskamerad und Kapitän Ruud Gullit nach dem EM-Finalspiel gegen die UdSSR den Pokal in die Höhe. Die Europameisterschaft fand damals in Deutschland statt und die Elftal feierte ihren größten Erfolg bis zum heutigen Tag.

Maßgeblichen Anteil daran hatte van Basten, der mit seinen fünf Turniertreffern dazu beitrug, dass das Finale in München bei den Oranje-Fans unvergessen blieb - ebenso wie der Treffer des Stürmers zum 2:0-Endstand. Aus sehr spitzem Winkel beförderte er den Ball per Volley in das gegnerische Gehäuse: ein unmögliches Kunststück. Später wurde van Basten zu Europas Fußballer des Jahres gewählt.

In einer ähnlich verzwickten Lage mit geringer Erfolgswahrscheinlichkeit befindet er sich derzeit wieder. Er ist Co-Trainer von Bondscoach Danny Blind und ihr Team rangiert vor dem vorletzten EM-Qualifikationsspiel mit zehn Punkten nur auf Platz vier. Den Niederlanden droht das Aus.

So können die Niederlande sich retten

Um den dritten Platz doch noch zu erreichen, müssen sie voraussichtlich beide verbleibenden Partien gewinnen, zunächst am Samstag in Kasachstan (18 Uhr), anschließend in Amsterdam gegen Tschechien (Dienstag, 20.45 Uhr). Gleichzeitig müsste die Türkei, Gruppendritter und im Direktvergleich besser als die Niederlande, in Tschechen oder zu Hause gegen Island Punkte lassen.

Wie mänovrierten sich die Niederländer in diese prekäre Situation? Mit den Gegnern aus Tschechien, der Türkei, Island, Lettland und Kasachstan hatte Oranje eine Gruppe zugelost bekommen, in der sie als Favorit galt. Doch während sich Tschechien und überraschenderweise auch Island bereits vorzeitig qualifizierten, liefert sich die Elftal derweil das Fernduell mit der Türkei. Mit aktuell zwölf Punkten liegt diese auf Rang drei, dem begehrten Playoff-Platz, der die Chance auf eine Qualifikation wahrt.

Viel Unruhe hat den Niederlanden ein Trainerwechsel beschert. Guus Hiddink übernahm nach der Weltmeisterschaft 2014 die Aufgabe von Louis van Gaal. Obwohl dieser zuvor in Brasilien den dritten Platz erreicht hatte.

Im System fehlt Balance

Während van Gaal auf eine 5-3-2-Formation gesetzt hatte, entschied sich Hiddink für die offensivere Variante und wählte das für die Niederländer klassische 4-3-3-Spielsystem. Der Plan ging nicht auf, die Defensive war zu instabil. Bereits im ersten Gruppenspiel verlor man 1:2 in Tschechien. Nach einem Pflichtsieg über Kasachstan ging auch die Partie in Island verloren (0:2). So fand sich Oranje im Juni 2015 nach dem 6. Spieltag nur auf Position drei wieder. Hiddink und der niederländische Fußballverband KNVB reagierten. Das Arbeitsverhältnis wurde vorzeitig beendet. Nachfolger wurde der zuvorige Co-Trainer Danny Blind. Ihm stellte man den mit unmöglichen Kunststücken erfahrenen van Basten als Assistenztrainer zur Seite.

Der Erfolg durch die neue Trainerkonstellation blieb aus. Unter Blind verlor das Team Anfang September vor heimischer Kulisse das immens wichtige Rückspiel gegen Island mit 0:1. Nachdem Innenverteidiger Bruno Martins Indi die rote Karte gesehen und sich Arjen Robben kurz zuvor verletzt hatte, beging Blind einen entscheidenden Fehler: Er nahm Stürmer Klaas Jan Huntelaar vom Platz und brachte stattdessen Verteidiger Jeffrey Bruma. Die Elftal strahlte ohne den Schalker Torjäger keine Gefahr mehr im Angriff aus. Durch einen verwandelten Foulelfmeter der Isländer ging die Partie verloren.

Ohne Robben, ohne Chance

Der Negativtrend setzte sich drei Tage darauf, in Konya beim Auswärtsspiel gegen die Türkei, fort. Die erschreckend schwachen Niederländer erlitten eine 0:3-Niederlage. Der verletzte Robben fehlte weiterhin ungemein im Angriffsspiel. Erfahrene Offensivkräfte wie Wesley Sneijder oder Robin van Persie können den Ausfall ihres Kapitäns bis jetzt nicht kompensieren.

Als "schwierige Situation" beschreibt Frank Rijkaard, auch ein Europameister von 1988, die derzeitigen Verhältnisse. Harscher geht Legende Johan Cruyff mit der Elftal ins Gericht: "Sie spielen nicht gut, sie machen Fehler, die man nicht machen darf." Und er hat Recht. Weitere Ausrutscher darf sich das Team um Blind nicht erlauben. Selbst bei zwei Siegen in den letzten beiden Spielen ist Oranje auf einen Misserfolg der Türkei angewiesen.

"Die Türken werden verlieren", beschwor Huntelaar das Fußball-Wunder. Überzeugung, die man benötigt, wenn man sich aus einer misslichen Lage befreien will. Wie das beeindruckend gelingen kann, weiß sein Co-Trainer Marco van Basten. Vielleicht kann er den richtigen Tipp geben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: