Krankheitswelle:Viren, Vorwürfe und Verdächtigungen

Lesezeit: 3 min

Von wegen krank: Isaac Makwala legte, nachdem er sich doch noch für das Halbfinale qualifiziert hatte, erst einmal ein paar Liegestütze hin. (Foto: David J. Phillip/AP)

Isaac Makwala, wegen einer Magen-Darm-Grippe nicht im 400-Meter-Finale dabei, wittert eine Intrige.

Von Saskia Aleythe, London

Die Leichtathletik pflegt eine besondere Liebe zu ihren Läufern, und wenn ein Finale ansteht bei der WM in London, werden sie mit kleinen Feuerwerkfontänen begrüßt. Am Dienstagabend zum Beispiel, Finale über 400 Meter, Einlaufen der Sportler, Funkenflug der Pyrotechnik. "Wir begrüßen die Finalisten im Theater der Träume", sagte der Stadionsprecher. Nur einer durfte im Theater der Träume nicht antreten, obwohl er sich qualifiziert hatte: Isaac Makwala aus Botswana.

Makwala war im Halbfinale die viertbeste Zeit aller Athleten gelaufen, er steht in der Weltjahresbestenliste auf Rang drei. Ein starker Konkurrent also für den Südafrikaner Wayde van Niekerk, der schon ausersehen ist als neuer Star der Leichtathletik für die Zeit nach Usain Bolt. Wenige Stunden vor dem Start fuhr Makwala zum Olympiastadion, doch Ordner am Eingang versperrten ihm den Weg. Als Grund gab der Leichtathletik-Weltverband IAAF an, Makwala leide an Magen-Darm-Grippe und müsse in Quarantäne, die Ansteckungsgefahr für andere Athleten sei zu hoch. Nur: Makwala fühlte sich gut, wollte rennen. Und: Einen Beweis aus dem Labor für seine Erkrankung gibt es nicht.

Es ist eine Geschichte mit unterschiedlichen Versionen der beteiligten Parteien. Makwala ist wie van Niekerk auch ein Spitzensprinter über 200 Meter, keiner lief in diesem Jahr schneller als er. Als er am Montagnachmittag zu den Vorläufen ins Stadion kam, suchte er den medizinischen Bereich auf, es ging ihm nicht gut. Er übergab sich. Darüber herrscht Einigkeit auf beiden Seiten, doch dann wird es kontrovers.

Pam Venning, die Leiterin des Medizinischen Abteilung der IAAF, erzählte in der BBC den Fortgang der Geschichte so: Makwala habe dem Arzt gesagt, er habe sich seit 22 Uhr am Vortag übergeben. Der notierte das in der Krankenakte und kam zum Schluss, die Symptome seien sehr ähnlich zu jenen anderer Erkrankter, also diagnostizierte er eine Magen-Darm-Grippe und sagte, Makwala könne über 200 Meter nicht antreten. Seit Freitag hatten sich vermehrt Athleten, die im 800-Zimmer-Hotel an der Tower Bridge wohnen, mit Magen-Darm-Grippe angesteckt, einige wurden auch auf den Erreger getestet. Die staatliche Gesundheitsbehörde gab eine Empfehlung: 48 Stunden Quarantäne.

"Wir haben positive Laborwerte von Leuten, die in dem selben Hotel sind wie er und die gleichen Symptome haben", sagte Venning. Man habe deshalb auf weitere Tests verzichtet und sich an den Leitfaden gehalten. Und überhaupt: Die Auswertung dauere mindestens 36 Stunden. Das Ergebnis wäre erst nach den Rennen gekommen.

"Das ist nicht fair", sagte Makwala dem TV-Sender ITV News, "ich glaube fast, das ist Sabotage." Er fühle sich gut, die Entscheidung der IAAF "zerreißt mir das Herz". Er bestreitet, den Satz gesagt zu haben, den der Arzt in seine Krankenakte schrieb. Dass er sich schon am Vortag übergeben habe, wird aus der Delegation Botswanas bestätigt. Aber zwischen zwei Mal Erbrechen in 16 Stunden und Erbrechen seit 16 Stunden liegt dann doch ein gewisser Unterschied. "Jeder Athlet kann sich übergeben", sagte der Sprinter.

Laut BBC hat das botswanische Ärzteteam angegeben, Makwala auf andere Symptome untersucht zu haben. Er hatte weder Fieber noch eine auffällige Herzfrequenz, was der Krankenakte des IAAF-Arztes widerspricht. Laut Gesundheitsbehörde haben Athleten und Teammitglieder aus verschiedenen Ländern über Symptome einer Magen-Darm-Grippe berichtet, bei zweien wurde der Norovirus als Erreger nachgewiesen. Die Betroffenen sind alle im Hotel an der Tower Bridge untergebracht, das nach Konsultation mit der IAAF verkündete, nicht die Quelle des Virus zu sein. Auch das deutsche Team ist betroffen: Teamarzt Andrew Lichtenthal berichtete von 13 Fällen bei Athleten und Betreuern in den vergangenen Tagen. Zwei Sportler seien noch in Quarantäne, deren Startchancen stünden 50:50. "Bei den 13 Fällen ist es wahrscheinlich, dass sie das Norovirus haben", sagte der Mediziner. Chefcoach Idriss Gonschinska spricht von einer "Ausnahmesituation".

"Wir tragen Verantwortung für alle Athleten", sagte Dr. Venning von der IAAF, deshalb müsse man die Gesunden schützen. Bemerkenswert am Fall Makwala ist allerdings auch, dass ihm schon am Montagnachmittag eine Magen-Darm-Grippe attestiert wurde, er am Dienstagabend aber trotzdem per Athletenshuttle zum Stadion fahren konnte. Mit anderen Sportlern.

Das Finale am Dienstag entschied dann Wayde van Niekerk für sich, mit großem Vorsprung, die Bahn rechts neben ihm blieb frei. "Ich wünschte, er wäre mit mir gelaufen", sagte er. Das wird sich nun noch ergeben: Die IAAF ließ Makwala am Mittwoch nach Ablauf der Quarantäne-Zeit den Vorlauf über 200 Meter nachholen. Er qualifizierte sich in 20,20 Sekunden fürs Halbfinale, machte sieben Liegenstütze zur Demonstration seiner Fitness. Und lief zwei Stunden später noch flotter (20,14) ins Finale am Donnerstag.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: