Kramnik gegen Deep Fritz:"Einem Computer von Aldi würde ein solcher Fehler nicht unterlaufen!"

Die Schachwelt diskutiert über den größten Fehler in der Geschichte dieses Sports: Wladimir Kramnik bekam von Deep Fritz den "Kuss des Todes". Drei Fragen an den SZ-Schachexperten Martin Breutigam.

Jürgen Schmieder

Es gilt als einer der größten Blackouts der Sportgeschichte: Wladimir Kramnik ermöglichte dem Schachcomputer Deep Fritz ein Matt in einem Zug. In der Schachwelt nennt man so etwas "Kuss des Todes". Wie konnte es dazu kommen? Und vor allem: Ist es wirklich menschliches Versagen? Der Schachexperte der Süddeutschen Zeitung, Martin Breutigam, ist in Bonn vor Ort und verfolgt die Partie genau.

Wladimir Kramnik

Kann den Fehler nicht fassen: Wladimir Kramnik.

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Hätte dieser Fehler auch Deep Fritz passieren können?

Martin Breutigam: Ganz bestimmt nicht. Deep Fritz ist ein Computer, der pro Sekunde acht Millionen Züge berechnet. Das bedeutet: Er rechnet neun bis zehn Züge im Voraus. Ein einzügiges Matt würde deshalb nie passieren. Selbst einem Computer von Aldi würde ein solcher Fehler nicht unterlaufen.

sueddeutsche.de: Es wird diskutiert, dass Kramnik der Fehler nicht unterlaufen wäre, hätte er gegen einen Menschen gespielt...

Martin Breutigam: Bisher ist noch niemals einem Spieler des Formats Kramniks ein solcher Fehler passiert. In einer Blitzpartie vielleicht, in der beide Spieler nur fünf Minuten zum Überlegen haben. Kramnik war überhaupt nicht in Zeitnot. Er konnte einen Schluck von seinem Kaffee nehmen und dann setzt ihn der Computer matt. Das ist ein echter Anfängerfehler und vollkommen unbegreiflich. Es hat wohl nichts mit der Situation oder dem Druck zu tun, sondern war einfach ein Blackout. Und wie es so ist mit Blackouts: Man kann sie nicht erklären.

sueddeutsche.de: Es wird bei der Partie auch der Unterschied zwischen dem alten Computer Deep Blue und Deep Fritz diskutiert. Wo liegt er?

Martin Breutigam: Deep Blue hat 1997 den damaligen Weltmeister Kasparow überraschend geschlagen. Das war ein IBM-Computer, ein regelrechtes Computer-Monstrum, 1,5 Tonnen schwer. 200 Prozessoren waren damals parallel geschaltet. Deep Fritz ist ein ganz normaler Computer mit vier Prozessoren.

Deep Blue konnte 200 Millionen Züge pro Sekunde berechnen, Deep Fritz nur acht Millionen. Dennoch ist Deep Fritz wahrscheinlich deutlich stärker. Die Stärke macht die wesentlich verbesserte Software aus. Deep Fritz hat wesentlich mehr Schachwissen und Schachverständnis. Man muss sich klar machen: 200 Millionen Züge klingt natürlich gewaltig, da sind aber 99,999 Prozent schachlicher Müll dabei.

Spieler wie Kramnik wissen genau, dass es drei bis vier Züge gibt, die sie gegeneinander abwägen. Der Computer probiert alle Möglichkeiten durch, auch die abwegigen.

(sueddeutsche.de)

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