Kramers Eigentor aus 45 Metern:Kleiner Platz in der BVB-Geschichte

Borussia Dortmund - Bor. Mönchengladbach

Fassungslos nach einem Eigentor aus 45 Metern: Weltmeister Christoph Kramer

(Foto: dpa)

Erst ein kurioses Eigentor von Weltmeister Christoph Kramer beendet die schwarze Serie von Borussia Dortmund. Nach dem Sieg gegen Gladbach sind alle erleichtert - und hoffen, dass ein alter Mann noch ein Jährchen dranhängt.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Irgendwann an diesem bemerkenswerten Abend ist Jürgen Klopp dann doch noch ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten. Dortmunds Trainer wurde während der Pressekonferenz damit konfrontiert, sein Manndecker Sokratis Papastathopoulos sei ins Krankenhaus gebracht worden. "Echt jetzt", fragte Klopp, der davon nichts wusste. "Da unten sind offensichtlich alle so glücklich, dass sie vergessen haben, mich zu informieren." Die übliche Nachrichtenlage, sie war in Dortmund außer Kraft gesetzt. Der Chef konnte damit leben, genau wie der Rest seines Mitarbeiterstabes war er beseelt von dem Gefühl, endlich mal wieder ein Spiel gewonnen zu haben.

Diese Glücksmomente wird auch die Botschaft nicht nachhaltig getrübt haben, dass sich Sokratis schwerer verletzt hatte, als es der Trainer angenommen hatte. Die Diagnose: unverschobener, belastungsstabiler Wadenbeinbruch rechts. Nach Angaben des Vereins fällt der Grieche mindestens zweieinhalb Wochen aus.

Das ist ein kleiner Rückschlag, doch viel schwerer wog die Erkenntnis, beim 1:0 (0:0) über Borussia Mönchengladbach endlich mal wieder einen Sieg eingefahren zu haben. Nach fünf Niederlagen und dem kurzfristigen Fall auf Rang 18 war die Erleichterung groß. Klopp, der Mann, der sonst um keinen Spruch verlegen ist, sagte nun, "ich finde kaum Worte, es ist ja schon so lange her, dass wir mal gewonnen haben".

Allen, die mit Borussia Dortmund zu tun haben, wirkten anschließend wie befreit. Und das lag nicht allein an dem Umstand, dass es in der Bundesliga die Zähler acht bis zehn gab und der BVB damit im Tableau auf Rang 15 kletterte. Nein, es war auch die Art und Weise, wie dieser knappe Erfolg errungen wurde. Dortmund dominierte einen Gegner, der in dieser Saison bis dato in 18 Pflichtspielen nicht eine einzige Niederlage hatte hinnehmen müssen und dabei vor allem in den vergangenen Wochen mit großer Sicherheit und Stabilität geglänzt hatte.

In Dortmund war von Gladbacher Dominanz und Selbstvertrauen jedoch nichts zu sehen, im Gegenteil: Die Borussia vom Niederrhein wurde von ihrem Gegner fast gedemütigt. "Wir waren über 90 Minuten die schlechtere Mannschaft, haben fast keine Zweikämpfe gewonnen, fast keine zweiten Bälle bekommen", konstatierte der starke Torhüter Yann Sommer, der seine Mannschaft vor Schlimmerem bewahrte: "Dortmund hat fast das gesamte Spiel über aggressives Pressing gespielt und die Räume eng gemacht."

Das Torschussverhältnis war eindeutig: 22:1, die Dortmunder Überlegenheit war frappierend. Wie gesagt - es spielte formal der Tabellenletzte gegen den Zweiten. Klopp sprach von einer "großartigen Leistung" seiner Mannschaft. In dieser schwierigen Situation "so selbstbewusst Fußball zu spielen, davor ziehe ich den Hut". Wohl noch nie in der mehr als 50-jährigen Geschichte der Bundesliga hat es einen solch spielstarken Tabellenletzten gegeben. Allerdings ist das ein Alleinstellungsmerkmal, das sich Klopp und seine Mitstreiter liebend gern erspart hätten. Dortmunds Trainer spricht von einer "ganz schwierigen Situation, die braucht kein Mensch. Aber wenn wir da jetzt durch müssen, dann machen wir das."

Dortmunder trösten Christoph Kramer

Dortmunds Krise, sie ist nach einem Sieg noch lange nicht überstanden. Und doch könnte der 9. November für den BVB zum Tag der Wende werden. Nach der Länderspielpause wird die Borussia ihr Projekt "Aufholjagd" starten. Doch erst einmal galt es, das zuvor Erlebte aufzuarbeiten.

Es gehört auch zur Dramaturgie dieses Abends, dass das Spiel durch einen kuriosen Treffer entschieden wurde. Eine total verunglückte Rückgabe von Christoph Kramer senkte sich als Bogenlampe über Sommer hinweg ins eigene Tor. Exakt 45 Meter betrug die Entfernung, nun können die Fachleute in den Archiven stöbern, ob es in der Bundesliga schon jemals ein weiteres Eigentor gegeben hat.

Irgendwie passte es, dass die Dortmunder die schwarze Serie nicht selbst beendeten, sondern dafür die Unterstützung des Gegners in Anspruch nahmen. Nach dem Missgeschick war Sebastian Kehl der Erste, der sich um den unglücklichen Torschützen kümmerte und ihm mit den Worten "Kopf hoch" Trost spendete. Es war eine bemerkenswert faire Geste, die der Routinier jedoch nicht überbewertet wissen wollte: "Ich konnte das in dem Moment mitfühlen, ich bin ja schon ein paar Jahre dabei", sagte Kehl. Mit seiner Erfahrung weiß er, dass man "über solche Situationen auch lachen kann. Das wirft ihn nicht um."

Macht Kehl doch weiter?

Das sieht Klopp ähnlich, der konstatierte, "Christoph Kramer hat jetzt ungewollt einen kleinen Platz in unserer Geschichte". Es wurde jedoch nicht nur die Kapriole des jungen Weltmeisters behandelt, sondern auch über den Mann gesprochen, der ihm Mut zugesprochen hatte.

Ob es tatsächlich schon ausgemacht sei, dass ein Spieler wie Sebastian Kehl in solch außergewöhnlicher Form am Ende dieser Saison seine Karriere beende, wurde Jürgen Klopp gefragt. Da hat der Trainer gelächelt und geantwortet: "Er ist ein großer Spieler, und wir werden am Ende der Saison darüber reden. Aber sollte er am letzten Spieltag noch genauso laufen und sich reinhauen wie heute, werde ich persönlich dafür sorgen, dass er weitermacht."

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