Korruption im Weltfußball:Aus Rache zu Fall gebracht

Die Aussage eines amerikanischen Tickethändlers legt nahe, dass der jähe Sturz von Uefa-Chef Platini und dem langjährigen Fifa-Boss Blatter vom früheren Generalsekretär Valcke eingeleitet wurde.

Von Thomas Kistner, Paris

Michel Platini, von allen Fußball-Aktivitäten gesperrter früherer Uefa-Präsident, soll einer Intrige zum Opfer gefallen sein. Das behauptete der US-Ticketmanager Benny Alon am Freitag bei einem Pressetreff in Paris. Das Spannende an der Sache, die im Kern den Gepflogenheiten im Weltfußball entspricht, ist, dass die offenbarte Kabale eine schlüssige Erklärung für den jähen Sturz von Platini und dem langjährige Fifa-Boss Sepp Blatter liefert. Die Geschichte führt tief ins Fifa-Machtzentrum, wo Generalsekretär Jérôme Valcke bis zum Rauswurf im Herbst 2015 regierte.

Ticket-Agent und Ex-Profi Alon arbeitet für die Agentur JB Sports Marketing; er kennt das Fußballgeschäft aus der Nähe. Als Golfpartner von Michel Platini, vor allem aus der langjährigen Geschäftsbeziehung mit dem Fifa-Exklusivpartner im Bereich Tickets und Hospitality, der Agentur Match. Was der Grund dafür ist, dass der Agentur (in Besitz der mexikanischen Brüder Jaime und Enrique Byrom) trotz steter Affären dieses milliardenschwere WM-Geschäft zufällt, sorgt seit langem für pikante Spekulationen. 2014 bei der WM in Brasilien dominierte die Fahndung der Polizei nach dem Match-Manager Ray Whelan, dem Schwager der Firmeneigner, sogar tagelang die Berichterstattung.

Da war la familia, wie der Clan genannt wird, für die WM 2018 in Russland schon dick im Geschäft. Auch diesem Deal liegen Fragen zugrunde: Dokumente zeigen, dass Match bei der Vergabe der Unterkunftspakete für 2018 die WM-Ausschreibung gegen den mitbietenden Schweizer Touristik-Konzern Kuoni haushoch verlor, teils vernichtende Beurteilungen erzielte - aber trotzdem den Auftrag erhielt.

Ein Prüferstab hatte die Bieterfirmen und ihre Erfahrungen auf dem russischen Markt untersucht. Im Ergebnisbericht von November 2012 heißt es, das von Byrom offerierte Geschäftsmodell sei nicht einmal kostendeckend, "vermutlich nicht überlebensfähig und finanziell zweifelhaft". Kuoni indes habe ein "starkes Rezept" und Russland-Erfahrung. In der technischen Bewertung schlägt der Touristik-Riese die Fifa-Agentur mit 51 zu 22 Punkten, Urteil der Experten: "Berufung von Kuoni." Vor den Byroms wurde sogar gewarnt: Im Falle von Finanzengpässen sei die Fifa Kosten von 50 Millionen Dollar "voll ausgesetzt"; bei Kuoni sei kein Fifa-Beitrag erforderlich. Zudem sei ratsam, das enorme Finanz-Engagement der Fifa mit Byrom von "über einer Milliarde Dollar zu reduzieren".

EURO 2016 - Semi final Germany vs France

Zu wenig Eintrittskarten für echte Fans - kein Wunder, wenn die Tickets für andere Zwecke verwendet werden.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der skandalumwitterte, langjährige Fifa-Vize und -Finanzchef Julio Grondona boxte die Brüder trotzdem durch. "Don Julio", 2014 verstorben, hat argentinischen Bundesanwälten ein Netz aus Strohfirmen hinterlassen, dem ein dreistelliger Millionbetrag zugeordnet wird. Eng mit den Byroms operiert hatte auch Fifa-Skandalfunktionär Jack Warner (Trinidad&Tobago) sowie der Fifa-Vorstand Chuck Blazer - der Amerikaner packte unter dem Druck des FBI über die Korruption im Weltverband aus und trat so die Lawine los.

Benny Alon und die Agentur JB hatten einem Medienkreis am 17. September 2015 in Zürich Dokumente zu Byroms delikate Drähte an die Fifa-Spitze vorgelegt, die den Verdacht schüren, dass JB im Tickethandel von Match über den Tisch gezogen wurde. Und: Dass mit Valcke eine Profit-Aufteilung beim Schwarzmarktverkauf von Tausenden Firstclass-Tickets vereinbart worden sei. Mails stützen sogar den Verdacht, dass eine Geldübergabe an Valcke kurzfristig vertagt wurde. Geld floss am Ende nicht; Valcke und auch Match weisen alle Vorwürfe zurück.

Doch Valcke wurde nach jener Beichte Alons vor der Presse im Herbst 2015 von der Fifa suspendiert. Es war sein Ende.

Nun trug Alon in Paris vor, Valcke habe die Enthüllung bis zuletzt mit einer harten Drohung verhindern wollen. Der Fifa-General soll Tage vor der Presserunde Platinis Assistenten Kevin Lamour angerufen und aufgefordert haben, Platini solle seinen Freund Alon stoppen - "sonst werde dies Konsequenzen" (Alon) haben. Bei dem Gespräch mit Lamour, so Alon, sei auch der Uefa-Justitiar zugegen gewesen.

Jérôme Valcke

Jérôme Valcke.

(Foto: Steffen Schmidt/dpa)

Hat Valcke die beiden obersten Fußballbosse aus Rache zu Fall gebracht? Dafür spricht einiges, sieht man die Abläufe damals. Bei Alons Presseauftritt in einem Züricher Zunfthaus war auch ein Anwalt der Fifa zugegen. Dort führte schon die US-Kanzlei Quinn Emanuel Regie, in Kooperation mit den US-Behörden. Der Fifa-Anwalt meldete Alons Vorwürfe und Belege an die Zentrale, Blatter reagierte prompt. Er wies Valcke, der im Learjet unterwegs nach Russland war, zur sofortigen Umkehr an - obwohl in Moskau neben Wladimir Putin auch 180 Botschafter den Fifa-General erwarteten. In Zürich gelandet, musste Valcke alle Fifa-Utensilien abliefern; er wurde suspendiert (und im Januar 2016 gefeuert).

Seitdem gilt Valcke als Schlüsselfigur in den Ermittlungen der Schweizer Bundesanwaltschaft, die sich auch sogleich Alons Akten besorgte. Ihm und vielen anderen in diese Ermittlung Involvierten wurde ein Sprechverbot erteilt. Klar: Der Fall dürfte an die ganz großen Geldtöpfe führen.

Was aber tat Valcke damals, machte er die Drohung wahr? Eine Woche nach Alons Pressekonferenz rückten Ermittler in der Fifa-Zentrale ein. Sie vernahmen Blatter und Platini. Untersuchungen zu einer Zahlung von zwei Millionen Dollar wurden eröffnet, die Blatter 2011 an den Franzosen initiiert hatte. Das Duo erklärte dies als Nachzahlung für eine Beratertätigkeit Platinis; der Vorgang trug dem Duo trotzdem Bannsprüche durch das Ethikkomitee ein.

Dass im Herbst just dieser eine, verräterische Geldtransfer den Ermittlern in die Hände fiel, als sie Valckes Mails einsehen durften, nur Tage nach dessen Fifa-Rauswurf: Das lässt vermuten, dass das Papier gezielt durchgesteckt wurde. In Ermittlerkreisen wurde der Transfer damals als Zufallsfund bezeichnet. Ein Zufallsfund, aus elf Terabyte Material.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: