Korruption bei der WM:Vertrauliche Geschäfte

Skandal nach der WM: Ein Ticketagentur-Mitarbeiter soll Daten von Hunderttausenden WM-Kartenkäufern zu Geld gemacht haben. Mit verstrickt in die Affäre - ein Fifa-Vizepräsident.

Thomas Kistner

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Spitzen des Fußball-Weltverbands Fifa und mit dem Verband verbundene Agenturen gern dunkle Geschäfte am Ticket-Schwarzmarkt treiben. Bei der WM 2006 wurde Fifa-Vorständler Ismael Bhamjee nach Botswana heimgeschickt, weil er beim Verticken von WM-Karten gefilmt worden war. Fifa-Vizepräsident Jack Warner wurde gar zu einer Million Dollar Rückzahlung verdonnert, als seine Karten-Deals aufflogen. Nun ist auch bei der WM 2010 vieles über schwarze Kanäle gelaufen. Die norwegische Zeitung Dagbladet hat es publik gemacht, sie liegt im Clinch mit der Schweizer Agentur Match.

Former South African President, Nelson M

Mittendrin: Der verdächtige Fifa-Vizepräsident Jack Warner zusammen mit den Idolen Pelé (links) und Samuel Eto'o (rechts) während einer Audienz bei Nelson Mandela (vorne).

(Foto: AFP/Getty Images)

Beschuldigt wird ein Match-Mitarbeiter, Hunderttausende personalisierte Daten von Kartenkäufern bei der WM 2006 inklusive Pass- und Sitzplatznummern an Schwarzhändler für die WM 2010 verkauft zu haben. Diese konnten mit den konkreten Personen- und Firmenlisten, die ja in weiten Teilen WM-Stammkunden abbilden, für das Südafrika-Turnier auf Kundenfang gehen. Wie lukrativ das ist, zeigt der Umstand, dass die Daten zwischen einem und 2,50 Euro pro Namen kosteten; ausgegangen wird von 250.000 verkauften Datensätzen.

Daten des Ex-Premiers

Bekannt sind erste prominente Opfer: Persönliche Daten von Schwedens einstigem Premier Ingvar Carlsson, Ski-Legende Anja Pärson oder Verwandten des ehemaligen Fußball-Nationaltrainers Lars Lagerbäck sollen ebenso verkauft worden sein wie von Svein Gjedrem, Chef der norwegischen Nationalbank. Jens Orbäck, früheres schwedisches Regierungsmitglied ("Für einen ehemaligen Minister stellt sich hier die Sicherheitsfrage!") ist ebenso betroffen wie der Generalsekretär des schwedischen Fußballverbandes, Tommy Theorin, der sagt: "Ich hätte nie gedacht, dass die Fifa so wenig Kontrolle ausübt. Solche Informationen müssen unbedingt vertraulich behandelt werden."

In England, wo die Firma Byrom ansässig ist, Haupteignerin von Match, eruiert der Datenschutzbeauftragte die Affäre: Die Frage sei, ob und wie die in Manchester registrierten Brüder Jaime und Enrique Byrom die Panne behandelt haben. Match mauerte auf SZ-Anfrage. Ein Sprecher verwies auf unter anderem darauf, dass die 2010 verkauften Personaldaten ja aus Kundenlisten von der WM 2006 stammen sollen, und diese sei damals "nicht von Match gemanagt worden". Auf die Frage, ob private WM-Kundendaten via Match-Mitarbeiter auf den Schwarzmarkt gelangt seien, folgte die lapidare Antwort: "Das wird behauptet." Weiter hieß es: Da die missbrauchte Kundenliste von 2006 stammen solle, "kann auch kein Leck innerhalb unseres Sicherheitsbereichs aufgetreten sein". Diese Aussage steht im Widerspruch zu dem mit Mails eines Match-Agenten belegten Vorwurf, dass dieser Agent intime Kundendaten - ergaunert woher auch immer - für die Südafrika-WM an den Schwarzmarkt verhökert habe. Einige Listen von 2006 liegen der SZ vor.

Eng verstrickt

War Match, der exklusive Ticketvermarkter der Fifa 2010, über einzelne Mitarbeiter selbst im Schwarzhandel tätig? Die Agentur bestreitet das. Und die affärenreiche Fifa, der erst im Juni ein Schweizer Strafgericht Korruption auf hoher Funktionärsebene attestiert hatte, hüllt sich geübt in Schweigen. "Aus Prinzip", heißt es auf Anfrage, "kommentiert die Fifa keine Behauptungen in den Medien." Doch bringt sie der Vorgang unter Druck. Partner Match, zu dessen Miteignern neben den Byrom-Brüdern die Schweizer Rechteagentur Infront gehört, geführt von Philippe Blatter, Neffe des Fifa-Bosses Sepp Blatter, stand ja schon vor der Südafrika-WM massiv in der Kritik.

Match hatte über eine offenkundig zu gierige Marktpolitik die Binnenwirtschaft im WM-Land blockiert - und enorme Probleme, die teuren Hospitality-Pakete loszuschlagen. Für deren Vermarktung hatte die Agentur der Fifa 120Millionen Dollar gezahlt. Zehntausende überteuerte Sitze blieben leer bei der WM, sogar beim Endspiel kamen Last-Minute-Käufer für 100 Dollar in den Genuss von Hospitality-Tickets, die mit 5000 Dollar veranschlagt waren.

Match ist verstrickt mit Fifa-Offiziellen, eng sind die mexikanischen Brüder Byrom mit dem karibischen Fifa-Vize Warner verbunden. Trotz aller Affären werden den obskuren Agenten immer wieder Kernbereiche des WM-Ticketgeschäfts zugeschanzt; auch bei der Frauen-WM 2011 in Deutschland und dem Männerturnier 2014 in Brasilien sollen sie mitverdienen. Das nährt Zweifel am Aufklärungswillen der Fifa. Die versetzt zwar ihre Ausrichterländer vor und während einer WM mit Heerscharen von Juristen und Marketendern in den Ausnahmezustand, zugleich aber füllen sich Funktionäre diskret die Taschen. Das Paradebeispiel für die institutionalisierte Durchstecherei im Weltverband liefert Topfunktionär Jack Warner. Der Volksschullehrer wurde im Ehrenamt für den Fußballzwerg Trinidad/Tobago zum Multimillionär und gilt als Skandalnudel Nummer eins der Fifa.

Ärger für Jack "the Ripper"

Blatter-Intimus Warner bekennt, dass er die 35 Voten seines Kontinentalverbandes Concacaf (Nord- und Mittelamerika) gern en bloc dem Fifa-Boss zuführt. Darf sich der Funktionär deshalb so ungeniert im Ehrenamt bereichern? Warner erwirbt seit 1990 exklusiv die WM-Fernsehrechte für den karibischen Raum, gern zum Vorzugspreis von einem Dollar. Dazu vertickt er Tausende WM-Karten über sein Agenturgeflecht, wobei er während der WM 2006 selbst aus Fifa-Sicht den Bogen überspannte. Warner, neuerdings Transportminister auf seiner Insel, hatte nach Ermittlungen der Bilanzprüfer von Ernst&Young Tausende WM-Tickets versilbert, die unter anderem sein Landesverband Trinidad/Tobago als Turnier-Teilnehmer erhalten hatte. Die von der Fifa geforderte Rückzahlung in Höhe von rund einer Million Dollar soll nur zu einem Viertel geflossen sein, sogar die Ethik-Kommission der Fifa - eigentlich nur Dekor - erteilte Warner einen Tadel.

Nun hat Jack "the Ripper" Ärger. Warner soll auch für Südafrika am WM-Schwarzmarkt tätig gewesen sein und über seine karibische Fußballunion (CFU) hunderte WM-Tickets bei der Fifa bestellt haben. Die Rechnung ging via Zwischenhändler an eine große norwegische Schwarzmarkt-Agentur. Aber der Deal platzte, die Agentur zahlte nicht, plötzlich standen Fifa-Vize und CFU mit offenen Rechnungen da. In diversen Mails an hohe Fifa-Offizielle und, laut Dagbladet, an Match habe die CFU Warners Besorgnis über die peinliche Lage dargetan: Sein ramponierte Ansehen könne wegen des neuerlichen Schwarzmarktdeals in der Fifa ernsthaft geschwächt werden. Sogar die Angst sei geäußert worden, Warner könne als Konsequenz seine karibischen TV-Rechte verlieren.

Warners TV-Rechtegeschäfte erscheinen selbst als filmreife Groteske. Über seine Firma JD International (Besitzer: Jack und Sohn Darryan) verkaufte er die WM-Rechte für 2002 und 2006 für gut vier Millionen Dollar an die von ihm geführte CFU. Und 2007 verkaufte JD die TV-Rechte für weitere zwei Weltmeisterschaften, diesmal soll der Deal 20 Millionen Dollar wert gewesen sein. Warner bestreitet nur allgemein krumme Touren, äußern wollte sich auch die Fifa auf SZ-Anfrage nicht.

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