Konsequenzen aus Dopingfällen:Groschen gefallen

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Nach 17 Jahren zieht sich das niederländische Geldinstitut Rabobank aus dem Profi-Radsport zurück. Auch der treueste Sponsor kann vor dem Dopingsystem nicht mehr die Augen verschließen, sein Glaube an einen sauberen Wettbewerb in absehbarer Zeit ist geschwunden.

Andreas Burkert

Zieht sich als Sponsor aus dem Radsport zurück: Das niederländische Geldinstitut Rabobank. (Foto: dpa)

Soeben hat Andy Schleck belegt, weshalb ihn die letzten Sympathisanten des Radsports fälschlicherweise einer "neuen Generation" zurechneten. Er könne die Debatten über den als Doper enttarnten Rekordsieger der Tour de France nicht recht verstehen, sagte Luxemburgs Volksheld, "die Schlagzeilen um Lance Armstrong sind nicht behilflich, dem Radsport die dringend benötigte Stabilität und Ruhe" zu geben. Was bringe das Bohren in der Vergangenheit, fragte der 27-Jährige und verweigerte Kommentare zur Trennung von seinem bisherigen Teamchef bei RadioShack - von Johan Bruyneel, Armstrongs langjährigem Kollaborateur. Die Doping-Enthüllungen seien Bruyneels Problem "und betreffen mich nicht".

Ob Schleck, am Grünen Tisch zum Toursieger 2010 erklärt, am Freitag doch ins Grübeln geriet? Denn vormittags erhielt der Radsport den nächsten Schlag versetzt: Der Sponsor des niederländischen Rennstalls Rabobank erklärte überraschend, sein Engagements zum Jahresende zu beenden - trotz des 2010 bis einschließlich 2016 verlängerten Vertrags. Begründung: kein Vertrauen in Gegenwart und Zukunft des Radsports. Gültige Verträge würden respektiert, das Team wird aber in eine Stiftung überführt und soll 2013 mit blanker Brust starten. Eine Saison bleibt, einen neuen Geldgeber zu finden.

Das Team Rabobank des gleichnamigen Kreditinstituts war seit 1996 im Feld vertreten, 15 Millionen Euro flossen jährlich in den Profi- und Breitensport. Letzterer soll weiter gefördert werden, wie auch der Verband und Olympiasiegerin Marianne Vos aus dem nun schließenden Frauenteam. Vom verseuchten Profibetrieb verabschiede man sich "schweren Herzens", sagte Vorstand Bert Bruggink, seine Verkündung übertrugen mehrere TV-Stationen live. Nach den Enthüllungen der US-Anti- Doping-Behörde Usada zu Armstrongs Dopingsystem "sind wir nicht überzeugt davon, dass der internationale Profiradsport in absehbarer Zeit einen sauberen und fairen Wettkampf garantiert", erklärte er, mit Bedauern, der Nation.

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Mit Rabobank verabschiedet sich ein treuer Partner. Das in Orange gehaltene Trikot prägte nicht nur Alpe d'Huez, den "Berg der Holländer" bei der Tour. Spaniens Weltmeister Oscar Freire und holländische Asse wie Michael Boogerd oder aktuell der Tour-Sechste von 2010, Robert Gesink, fuhren für die 100-prozentige Tochter der Genossenschaftsbank. Wielersport ist neben Fußball und Eisschnelllauf der wichtigste Sport im Nachbarland, und die vielen Dopingskandale stellten das Engagement der Privatkundenbank nie infrage.

Dabei war Rabobank involviert in Affären und unterhielt jahrelang selbst ein Dopingsystem. 2007 wurde der Däne Michael Rasmussen im Gelben Trikot kurz vor Paris aus dem Rennen genommen wegen Lügen bei Meldeangaben. Später wurde er positiv getestet, wie 2007 auch Hollands vermeintliches Talent Thomas Dekker; sein Name stand in Verbindung zum spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes sowie zur Affäre um die Wiener Blutbank "Humanplasma", wo gleichfalls Boogerd, der frühere Kapitän Dennis Mentschow und andere Kunden gewesen sein sollen. Der damalige Teamchef Theo de Rooij räumte ein, Doping toleriert zu haben.

Trotzdem ließ Rabobank die Equipe nicht fallen, es wurde reformiert: Manager wurde Harold Knebel - ein Banker. Man setzte auf junge Fahrer und unbelastetes Personal. Doch die Betrugsmentalität pflanzt sich offensichtlich fort wie das resistenteste Unkraut, das ahnten zuletzt die Bankmanager: Donnerstag zog der Weltverband UCI wegen Auffälligkeiten im Blutprofil Rabobanks Spanier Carlos Barredo aus dem Verkehr. Landsmann Luis Leon Sanchez, 2012 Gewinner einer Tour-Etappe, wird im Usada-Report zudem als mutmaßlicher Kunde von Armstrongs Dopingarzt Michele Ferrari erwähnt. Das Sittengemälde, welches das Usada-Urteil zeichne, sei "generell ein Schock für uns gewesen", teilte Rabobank auf SZ-Anfrage mit.

Alles Vergangenheit, den Blick nur nach vorn? Diese Ansicht von Andy Schleck mochte Rabobank nicht länger teilen; ähnlich wie T-Mobile, die Firma gab nach dem Versuch einer Erneuerung vor fünf Jahren ebenfalls desillusioniert ihr Team auf.

Und zu offenkundig sind ja auch jetzt die Verflechtungen der heutigen Darsteller mit der schmutzigen Vergangenheit (mal abgesehen von der Rolle der UCI, die Korruptionsvorwürfe vernimmt). Das dürfte sich bald wieder erweisen, wenn sich Armstrong-Gefährte Bruyneel in den USA gegen die Vorwürfe verteidigen will: Italienische Ermittlungsergebnisse der Usada zum Komplex Armstrong/Ferrari finden dann Eingang. Die Justiz in Padua ermittelt seit 2010 gegen den Arzt aus Ferrara, der schon 2004 wegen Sportbetrugs verurteilt wurde - und doch weiter Sportler betreuen soll. Ferraris Villa, eine Wohnung in St. Moritz und ein mobiles Behandlungszimmer - ein an der Autobahnabfahrt Ferrara abgestellter Camper - sollen u.a. dem Betrug als Lokalitäten gedient haben. Weitere Vorwürfe neben Handel, Schmuggel und Verabreichung von Dopingmitteln: Geldwäsche, Steuerhinterziehung.

Der Geldfluss von 20 Rennställen und zahlreichen Profis sei deshalb überprüft worden, berichtet die Gazzetta dello Sport. Genannt werden Italiens Teams, aber auch QuickStep, die früheren deutschen Teams Gerolsteiner und Milram, Rabobank, vor allem aber Astana und RadioShack. Bei Razzien bei einem guten Dutzend Profis seien jeweils Dopingmittel gefunden worden.

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Andy Schleck fährt erst seit 2012 für RadioShack, den Nachfolger von Armstrongs US-Postal/Discovery-Truppe. Und er konnte nicht gut mit Johan Bruyneel, das ist bekannt. Zu den Kollegen zählt aber weiterhin auch der Ukrainer Jaroslaw Popowitsch, einer der Hauptverdächtigen in Padua. Sowie übrigens auch Franck Schleck, Andy Schlecks älterer Bruder. Er flüchtete diesen Juli wegen eines positiven Dopingtests von der Tour.

© SZ vom 20.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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