Kongress der Fifa:Reform-Operette auf der Palmeninsel

Sepp Blatter

Fifa-Präsident Sepp Blatter: Viel Propaganda, wenig Reform

(Foto: AP)

Die Fifa will bei ihrem Kongress Erneuerung vorgaukeln und installiert gleich wieder fragwürdige Personen. Statt wichtige Reformen durchzusetzen, wendet der Fußballweltverband jede Menge Energie für Imagepflege auf - koste es, was es wolle.

Von Thomas Kistner

Hoch ist der Schönwetterfaktor auf der Palmeninsel Mauritius, fast so hoch wie die Skandaldichte des Gremiums, das dort von Donnerstag an seinen Kongress abhält. Nicht irgendeinen: Das werde ein richtiger Reformkongress, versichern Sepp Blatter, Chef des affärenumtosten Fußballweltverbandes Fifa, und sein treuer Krisenhelfer Mark Pieth. Wobei nur nicht ersichtlich ist, welches der marginalen Vorhaben Blatters Klub im Geringsten verändern könnte. Aber darum ging es ja auch nie, und der Compliance-Experte Pieth und seine Mitstreiter würden ja auch ganz gern ein gut bezahltes Arbeitsjahr dranhängen.

Alles ist, wie es war bei der Fifa, die schon den nächsten Schenkelklopfer parat hat. Gerade unterlief dem Gastgeber des Konvents, Mauritius' Verbandschef Dinnanathlall Persunnoo, ein Malheur: Er soll den Klassenverbleib seines Klubs Mahebourg Quartier per Spielmanipulation gesichert haben. Ein diesbezügliches Telefonat hat der Chef von Absteiger Stanley United, Anzal Hossenbaccus, mitgeschnitten und angeblich seiner Gerichtsklage beigelegt. Persunnoo erklärt dazu: "Ich habe in dem Gespräch doch nur Witze gemacht!"

Wer Sinn für Humor hat, dem garantiert die Reform-Operette auch sonst hohen Genuss. Tapfer ignoriert Pieth selbst klarste Belege dafür, dass sich trotz seines Schaffens nichts verändert hat. Dafür rüstet die Fifa unter den Augen des Transparenz-Experten ihre Propagandamaschine auf, von der App über das Wochenblatt bis hin zum eigenen TV-Studio im Verbandsbunker auf dem Zürichberg. Zudem soll künftig Lobby in Bern, Brüssel, Straßburg gemacht werden; eine originelle Antwort ist das auf Pieth, der ja der Fifa gern mit staatlichem Gesetzesdruck droht.

Seine Geduld mit Blatter wirkt nur noch bizarr, seit Medien berichten, wie die Fifa Pieths kanadische Kollegin Alexandra Wrage attackiert. Die mediale Selbstschussanlage soll Medienchef Walter de Gregorio laut Sonntagszeitung so begründet haben, sie solle "dafür nützlich sein, krasse Fehlmeldungen mit Fakten zu korrigieren" - wobei de Gregorio als jüngstes Beispiel für krasse Falschaussagen Kritik von Wrage genannt habe.

Wrage ist Präsidentin der Anti-Korruptions-Organisation Trace in Washington und völlig anders beleumundet als die Fifa. Sie hatte den Reformstab im April entnervt verlassen und dargelegt, wie Blatter und Co. Pieths Transparenz-Gurus vorführen. Solche Kritik schweißt Pieth offenbar nur enger an Blatter: Dass er Partei für die mutige Kollegin ergriffen hätte, die als einzige Reformkraft auf Bezahlung durch die Fifa verzichtet hatte, ist nicht überliefert. 1,5 Millionen Schweizer Franken teuer soll Blatters neuer Selbstdarstellungskanal sein. Geht es um die Imagepflege, ist kein Geldtopf des Fußballs groß genug.

Entsprechend unterhaltsam sind nun die Novizen, die in den Fifa-Vorstand einrücken. Für Asien steigt der zu Blatters Freude an die AFC-Spitze manövrierte Scheich Salman aus Bahrain ein. Menschenrechtler werfen ihm schwere humanitäre Verstöße gegen Spieler und Offizielle bei den blutigen Unruhen von 2011 vor. Salman, Cousin des Bahrain-Herrschers, weist das zurück.

Ein weiterer Platz des AFC, der des wegen Korruption verbannten Manilal Fernando aus Sri Lanka, muss noch besetzt werden. Anwärter gäbe es genug in Salmans runderneuertem Asien-Verband, von Katars WM-Organisationschef Al-Thawadi bis zu Han Un-Gyong aus Nordkorea, die just in den AFC-Vorstand aufrückte. Und das, obwohl Nordkoreas Fußballfrauen nach fünf Dopingfällen von der WM 2015 in Kanada verbannt wurden.

Zweifelhafte Nachfolger

Lockerer als in Asien geht es traditionell im Nord- und Mittelamerikaverband Concacaf zu. Hier wurden unter Mithilfe des FBI Blatters jahrzehntelange Stimmbeschaffer Jack Warner (Trinidad & Tobago) und Chuck Blazer (USA) entsorgt. Concacaf-Boss Warner gab 2011 alle Ämter auf, nachdem sich die sogenannte Karibik-Bestechungsaffäre als zu viel erwies. Sein Generalsekretär Blazer, der Warners letzte Korruptionsorgie bei der Fifa verpetzt hatte, fiel umgehend einem Revanchefoul des nachtragenden Jack zum Opfer.

Chuck hatte über die Jahre prächtige Marketing-Deals mit sich selbst getätigt und die Beute, zehn Millionen Dollar, auf karibischen Offshore-Konten gebunkert. Nun hat er, wie Warner, das FBI am Hals. Zwar klingt Blazers Amtszeit im Fifa-Vorstand beim Strandfest auf Mauritius ohnehin aus, jüngst aber suspendierte ihn noch die Fifa-Ethikkommission. Sieht einfach besser aus: Schaut bloß, wie wir aufräumen!

Nur, wer rückt nach für Jack und Chuck? Wird jetzt alles besser, wie Pieth und Blatter predigen? Sunil Gulati und Jeffrey Webb heißen die neuen Concacaf-Vertreter im Fifa-Vorstand. US-Verbandschef Gulati saß bis jüngst in Pieths Reformstab, wo er nicht als Hardliner auffiel. Karriere machte der Musterfunktionär mit indischen Wurzeln an der Seite von Landsmann Blazer.

Gulati wirkte viele Jahre im Geschäftsgeflecht der mexikanischen Brüder Jaime und Enrique Byrom, engste Freunde von Jack Warner - der ja nicht nur mit Rechtedeals, die ihm Sepp Blatter durchsteckte, sondern auch mit dem Verkauf von WM-Karten steinreich wurde. Die Byroms sind jene Geschäftsleute, deren Rolle als Hüter der Fifa-Tickets (die dann sündhaft überteuert auf WM-Schwarzmärkten auftauchen) schon deshalb außergewöhnlich ist, weil sie trotz aller Skandale fest im Sattel bleiben.

Gulati gehörte seit den Neunzigern - mit dem ersten Ticketskandal bei der WM 1998 - dem Beraterkreis der Brüder an. Bei der WM 2002 wurden die Byroms sogar auf Fanplakaten verflucht, 2006 in Deutschland gab es Pannen zuhauf. Das Namens-Ticketing wurde aufgelöst, am Ende mussten die lokalen Organisatoren die Byroms "retten", berichten Eingeweihte. Dasselbe 2010. Für die WM 2014 sitzt Gulati im Vorstand der Fifa Ticketing AG, die Preispolitik und Kartenverteilung regelt. Zuständig für Verkauf und Auslieferung der Tickets ist die Firma Match Services AG. Diese lenken die Byroms, als deren Mentor in der Fifa nun ihr Ex-Berater Gulati gilt.

Und Jeffrey Webb, der neue Concacaf-Chef? Ist Banker, Treuhänder und Fußballboss auf jenen Cayman-Inseln, die Sportsfreund Blazers Millionen beheimaten. Zudem ist Webb enger Geschäftspartner von Horace Burrell, einer selbst in der Concacaf herausragenden Skandalfigur. Burrell, Verbandschef Jamaikas, schickte beim Fifa-Kongress 1998 sogar seine Herzensdame an die Wahlurne - auf dem verwaisten Ticket Haitis, dessen Verbandschef aus Finanznot leider zu Hause bleiben musste. In Webbs Concacaf ist Burrell Chef und Vize von elf Komitees, er steht auch dem Rechts- und Finanzausschuss vor. Dabei erhielt er im Zuge von Warners Karibik- Affäre 2011 selbst eine sechsmonatige Sperre für alle Fußballgeschäfte. Seine Bewährungszeit läuft noch bis Herbst.

Webb, der mit Burrell die Concacaf führt, ist auch ein alter Blatter-Getreuer. Er war bereits 2002 vom Fifa-Chef in eine Fifa-Auditkommission gebeten worden, nachdem das kritische Vorgänger-Gremium kaltgestellt worden war: Es hatte angefangen, ernsthaft Blatters Bilanzkünsten nachzuspüren. Im neuen Prüfstab saßen neben dem smarten Treuhänder Webb von den Caymans korruptionsgestählte Figuren aus Brasilien, Angola und der syrischen Armee. Dass eines der zentralen Reformbestreben, die Offenlegung von Blatters Salär, nie vorankam, liegt naturgemäß auch im Wirken solcher Leute.

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