Kommentar:Zurück im Spiel

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Die Kooperation erschien gewagt: der Egomane Boris Becker und der Top-Star Novak Djokovic - konnte das gutgehen? Trotz der Trennung weiß man: Es ging gut.

Von René Hofmann

Manchmal sagt ein Spitzname schon alles. Zumindest über eine bestimmte Zeit. Als Boris Becker vor drei Jahren kurz vor Weihnachten bekannt gab, wieder mal etwas Neues versuchen zu wollen, da schlug ihm Skepsis entgegen. Trainer? So richtig? Und dann auch noch gleich bei einem der besten Spieler der Rangliste, beim Serben Novak Djokovic? Das Unternehmen erschien gewagt, und viele Vorbehalte bündelten sich in dem Spitznamen, den Becker sich mit seiner Mitteilungswut in den sozialen Medien erarbeitet hatte: "Old Twitterhand."

Boris Becker ist einst ein erfolgreicher und berühmter Tennisspieler gewesen. Anschließend war er ein eifriger, aber bloß leidlich erfolgreicher Geschäftsmann. Als er sich mit Djokovic zusammentat, war er immer noch berühmt und in vielem auch noch redlich bemüht, für viele aber trotzdem zur Witzfigur geschrumpft. Wer sich bei vollem Bewusstsein eine Fliegenklatschen-Mütze aufsetzt, wenn in der Nähe eine Fernsehkamera läuft, braucht sich über Häme anschließend nicht zu beklagen.

Beckers Rückkehr zum Tennis war ein großes Ding. Für den Sport, weil er einen seiner Helden zurückgewann; und gestrauchelte Helden verkaufen sich ja am allerbesten. Das Engagement war aber auch für Becker wichtig, weil es ihm die Chance gab, der Welt vorzuführen, dass er zumindest dort nicht ins Straucheln kommt, wo er groß wurde.

Dass Becker etwas vom Spiel mit dem Filzball versteht, war stets unbestritten. Etliche Male aber hatte er vorgeführt, dass es schwierig wird, wenn er den Schläger nicht selbst führt. Sein Engagement als Chef des deutschen Davis-Cup-Teams verlief glücklos; bei der Rettung des Traditionsturniers am Hamburger Rothenbaum half er, zu einer neuen Blüte aber führte er es anschließend aber auch nicht. Oft drängte sich der Eindruck auf, dass ihm das, was ihn als Spieler einst so erfolgreich gemacht hatte, jenseits der weißen Linien im Weg stand.

"God has chosen me to win Wimbledon at 17": Das hat er einmal der BBC gesagt. Andere Götter duldete er nach dem Erweckungserlebnis nur noch sehr wenige neben sich.

Wie sehr würde Becker sich zurücknehmen? Wie sehr würde er sich als Teil eines Teams begreifen und sich einfügen können? Das waren die Schlüsselfragen, als das gewagte Spiel mit Djokovic begann. Jetzt, drei Jahre später, lässt sich sagen: Es hat gut geklappt. Als Spieler hat Becker einst sechs Grand-Slam-Titel gewonnen, jetzt kommt er auch als Coach auf sechs. In der Szene ist er damit wieder ein gefragter Mann. Becker hat bewiesen, dass auch Halbgötter noch etwas hinzulernen können. Damit hat er sich viel Grund zurückerobert. Er ist jetzt wieder wer.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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