Kommentar:Zurück im Revier

Hannovers Kampf gegen den Abstieg bekommt durch die Werder-Vergangenheit des neuen Trainers Thomas Schaaf eine heikle Note.

Von Klaus Hoeltzenbein

Mit dem Fernbus wird die Fahrt ab fünf Euro angeboten: Hannover-Bremen, einfach. Vermutlich jedoch wird Thomas Schaaf dieses Angebot nur selten nutzen, auch wenn er den Kurztrip häufiger antreten wird. So ein Fernbus parkt irgendwo in der Stadt, für Schaaf aber werden sie aller Voraussicht nach auch jetzt nicht die Sonder-Parklizenz fürs Bremen Weserstadion stornieren. Obwohl er durch die Ankündigung, Hannover 96 vor dem Abstieg retten zu wollen, in eine pikante Situation geraten ist: Schaaf ist nun so etwas wie sein eigener Lokalrivale. Er kann sich selbst vom Sockel stürzen.

Würde man nämlich den Bremer Stadtmusikanten, auf Esel, Hund, Katze, Hahn, noch zwei lokale Helden obendrauf packen, so käme man um zwei Figuren nicht herum: Otto Rehhagel und Thomas Schaaf. Der eine, Rehhagel, formte den SV Werder zum deutschen Meister 1988 und 1993, sein Schüler, Schaaf, fügte den Titelgewinn von 2004 hinzu. Mehr als 14 Jahre trainierte Schaaf den Verein, er erlebte letzten Glanz, aber auch schon ersten Niedergang. Und plötzlich ist da jetzt diese sehr spezielle Situation, ablesbar aus der Hinrunden-Tabelle der Bundesliga: Stand heute ist Hannover 17. und abgestiegen (schlechter ist nur Hoffenheim), Werder Bremen liegt nur einen Rang davor.

Wenn man so will, kann Schaaf also seinem Bremer Lebenswerk sportlich den K. o. versetzen. Der Kampf gegen den Abstieg, der jenseits des Abonnements-Titels für den FC Bayern eh das Spannendste in der Rückrunde zu werden verspricht, bekommt durch dieses Nord-Nord-Duell eine neue, heikle Note.

Zwar mutet alles ein bisschen retro an, was da gerade zwischen Bremen und Hannover passiert: 96-Präsident Martin Kind, 71, hat endlich den Trainer, um den er seit Jahren vergeblich warb; und Schaaf, 54, bekommt nach seinem missglückten Intermezzo bei Eintracht Frankfurt vielleicht die letzte Chance vor der Rente. Doch es sind zwei Sätze, die am Montag fielen und die signalisieren, dass alle Kellerkinder, die sich retten wollen, jetzt neu kalkulieren sollten. Martin Bader, Hannovers Manager, sagte: "Er kommt aus Norddeutschland und kennt die Mentalität." Und Schaaf teilte mit: "Man trifft hier nicht auf Fremde, das ist wichtig." Fremd blieb Schaaf bei der Eintracht in Hessen, wo er sich unverstanden fühlte, in eine eitle Führungs- krise geriet und nach wenigen Monaten auf Old-fashioned-Art, aber immerhin auf Rang neun, die Brocken hinwarf: Macht euren Mist doch alleine!

Schaaf gilt als Milieutrainer. Zwischen HDI Arena in Hannover und Weserstadion in Bremen sind es über die Autobahn nur 128 Kilometer. Nicht nur in Bremen fürchten sie deshalb, dass er sich auf den Fahrten durchs heimische Revier daran erinnert, was er so alles richtig gemacht hat, damals in Bremen.

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