Kommentar:Zugleich an Nord- und Südpol

Neuer Markt, neue Fahrer, neues Auto, neue Saison, neues Glück - so soll es zur nächsten Saison bei Nick Heidfeld aussehen.

Von Rene Hofmann

Nick Heidfeld kann sich freuen. In den vergangenen Jahren war er im Fahrerlager immer weiter nach hinten durchgereicht worden. In diesem Winter aber dürfte er erstmals von den zu dieser Jahreszeit üblichen Formel-1-Rochaden profitieren. Der missglückte Versuch, Jenson Button aus seinem Vertrag bei BAR-Honda zu reißen, eröffnete dem Deutschen die Chance auf einen Platz im Top-Team BMW-Williams. Die Signale dafür, dass er diesen tatsächlich bekommt, häufen sich. Am Wochenende bestätigte BMW-Sportchef Mario Theissen, dass Heidfeld einen Vertrag als Testfahrer bereits sicher habe. Am Montag meldete Bild, dass Heidfeld, 27, das Cockpit von Ralf Schumacher übernimmt. Der Einjahresvertrag soll mit drei Millionen Euro dotiert sein und noch vor Silvester unterschrieben werden. Im Januar in Bahrain sollen Heidfeld und das Auto für 2005 präsentiert werden. Neuer Markt, neue Fahrer, neues Auto, neue Saison, neues Glück - so soll es aussehen.

Der Rennstall hat freundliche Schlagzeilen nötig. Nur Platz vier in der Konstrukteurswertung - die Saison 2004 geriet zur Enttäuschung. Bei der Posse um Button hat sich das Team blamiert, und dass sich die Suche nach Pilot Nummer zwei neben dem Australier Mark Webber so quälend lange hinzog, spricht ebenfalls nicht für geordnete Verhältnisse. Die unterschiedlichen Interessen von Rennstallbesitzer Frank Williams und Motorenlieferant BMW, zugleich größter Sponsor des Rennstalls, waren zuletzt vortrefflich zu beobachten. Williams hätte gerne Antonio Pizzonia in einen seiner Wagen gesetzt. Der kennt das Team, hat als Ersatzfahrer schon Punkte gesammelt und kommt aus Brasilien - wie Sponsor Petrobras. Die Bayerischen Motorenwerke hingegen bevorzugen Heidfeld. Sie trauten dem Kind ihres Heimatmarktes mehr zu.

Personalpolitik wird in der Formel 1 stets auch über Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Anfang Dezember testeten die Kandidaten gleichzeitig in Jerez/Spanien, doch wer die Berichte darüber in den deutschen und britischen Medien verfolgte, konnte leicht zu dem Schluss kommen, der eine sei am Süd- und der andere am Nordpol unterwegs gewesen. Hierzulande ging es strikt nach den Ergebnislisten. Und auf denen war Heidfeld meist vorne. Auf der Insel wurde das relativiert. Die Bedingungen seien zu unterschiedlich gewesen. Feuchter Asphalt und verschiedene Reifenmischungen würden das Bild verzerren. Zu jeder Theorie ließen sich leicht Zitate auftreiben - je nach Bedarf in Grove, wo Williams sitzt, oder in München, bei BMW.

Das Spielchen ließ tief blicken, wie es um die Partnerschaft bestellt ist. Das Vertrauen des Weltkonzerns in das Vorgehen des britischen Selfmade-Millionärs hat deutlich abgenommen. Bei der Entwicklung des Autos ist Frank Williams schon lange kein großer Wurf mehr gelungen. Beim Personalpoker agierte er unglücklich. Die von Ferrari abgeworbene Aerodynamikerin Antonia Terzi durfte nur eine Nase zeichnen. Ralf Schumacher wurde von Williams bei den Verhandlungen so lange hingehalten, bis er sich entnervt Toyota zuwandte. Erst als Schumacher nach seinem schweren Unfall in Indianapolis dem Team einige Monate fehlte, merkte es, was es an ihm hatte. In der Fahrerfrage aber hat Williams das letzte Wort - und BMW offiziell nichts zu sagen.

Dass sich mit geschickter Lobbyarbeit trotzdem einiges erreichen lässt, zeigt die Meldung vom Montag - selbst wenn sie sich demnächst als voreilig entpuppen und mit Turbokräften dementiert werden sollte.

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