Kommentar:Zeit für Auszeiten

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Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass nicht alles gleich im Kontext von etwas Großem gedeutet wird, dass der Skisport einmal innehalten kann und sich ein Sabbatical gönnt von der bunten Welt der Weltmeisterschaften und Winterspiele.

Von Johannes Knuth

Es geht immer weiter in einem Sportlerleben, auch bei Skirennfahrern, die gerade eine Saison mit flirrenden Weltmeisterschaften in Vail/USA hinter sich gebracht haben. Die Farben und Erinnerungen sind noch immer frisch, aber am Wochenende tauchen sie schon wieder richtig ein in die neue Saison, in Nordamerika. Es ist eine Saison ohne WM, ohne Winterspiele. Es geht um Weltcupsiege und Gesamtweltcups, aber das große Ziel, die große Überschrift über der Saison, die fehlt dieses Mal. Und vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, dass nicht alles gleich im Kontext von etwas Großem gedeutet wird, dass der Skisport einmal innehalten kann, sich ein Sabbatical gönnt von der bunten Welt der WMs und Winterspiele.

Ein paar spannende innenpolitische Fragen drängen sich ja durchaus auf. Die der Sicherheit zum Beispiel. Der Weltverband Fis hat in den vergangenen Jahren viele gute Dinge veranlasst, er präpariert die Pisten gleichmäßiger und variabler, je nach Wetter, er hört den Athleten zu, meistens zumindest, er hat einen Airbag zugelassen, der die Sportler schützt, wenn sie stürzen. Aber er muss sich auch eingestehen, dass bei allen Airbags und kilometerlangen Sicherheitsnetzen die größte Verletzungsgefahr noch immer nicht gebannt ist: beim weitgehend ungeschützten Knie.

Dann der Klimawandel: Die frühe Saison-Ouvertüre im Oktober in Sölden, die Dezember-Rennen in Europa, die sich die Ski-Industrie wünscht, sie passen nicht so recht zu einem Winter, der allmählich aus den frühen Wintermonaten in die späteren kriecht, und der gleichzeitig aus den Tälern verschwindet. Das Habitat der Rennfahrer schmilzt, und während sich die Besten in die dünne Luft der Gletscher zurückziehen und die großen Skigebiete sich zu noch größeren zusammenschließen, um Touristen zu locken, verschwinden die kleinen Lifte, auf denen viele Champions von heute einst für ihre Weltcupkarrieren probten.

Verbände und Skifirmen müssen in diesem Klima einen Skirennsport vermarkten, der den Wandel der Natur am stärksten spürt. Am 16. Februar 2014, am Tag des Super-G bei den Winterspielen in Sotschi, sprang die Temperatur auf knapp 10 Grad. Jungbong, der Zielort des Weltcups in Korea sowie der olympischen Abfahrt für 2018, liegt auf 540 Metern Seehöhe. Bleibt die Frage, ob der Skisport damit wirklich in neue Märkte expandiert, wie die Fis derzeit betont. Oder ob Fortschritt nicht manchmal auch darin liegt, Traditionen und Orte zu bewahren, die den Sport einst wachsen ließen.

© SZ vom 27.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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