Kommentar:Wertlose Worte

Schmieder, Jürgen

Dirk Nowitzki wird mit den Mavericks wohl nicht mehr NBA-Meister - im Transfer-Poker hat sich der Klub dramatisch verschätzt.

Von Jürgen Schmieder

Dirk Nowitzki wird keinen NBA-Titel mehr gewinnen. Zumindest nicht, wenn er bei den Dallas Mavericks bleibt, dem Klub, dem er seit 1998 die Treue hält, für den er 2011 die erste und einzige Meisterschaft seiner Geschichte geholt hat und bei dem er noch zwei Jahre unter Vertrag steht. Der Würzburger ist gerade 37 geworden, und man tritt ihm nicht zu nahe, wenn man sagt, dass er in dem Alter als Spitzensportler keine große Zukunft mehr hat. Und schon gar nicht bei den Mavericks. Denn deren Pläne für die Zukunft sind in dieser Woche in einem grotesk anmutenden Drama komplett zerstört worden.

Und das nur, weil der Center DeAndre Jordan in der Nacht zum Donnerstag einen neuen Vertrag bei den Los Angeles Clippers unterschrieben hat, obwohl er sich mit den Mavericks bereits mündlich auf einen Wechsel geeinigt hatte.

Die Mavericks beschweren sich nun heftig über das moralisch zwar fragwürdige, juristisch aber korrekte Verhalten von Jordan: Den NBA-Regeln zufolge sind mündliche Zusagen nicht bindend. Sie gelten unter Akteuren, Agenten und Funktionären jedoch als Gentleman's Agreement, quasi als Ehrenwort. Dazu muss man wissen, wie das Profigeschäft in den USA funktioniert: Spieler dürfen alljährlich vom 1. Juli an verhandeln, jedoch erst nach dem 8. Juli einen Vertrag unterzeichnen. Die Woche dazwischen gilt als Moratorium, Liga und Spielergewerkschaft benötigen sie, um das am 30. Juni abgelaufene Geschäftsjahr zu bilanzieren und aufgrund dieser Zahlen die neue Gehaltsobergrenze für die Klubs festzulegen. Anhand der wird dann das zuvor grundsätzlich ausgehandelte Gehalt der Profis bestimmt. Letztlich geht es bei der Vertragsunterzeichnung also nur noch um genaue Zahlen.

Opfer ist nicht der tobende Chef, sondern der stille Nowitzki

Warum schlägt Jordans Wortbruch dann so große Wellen der Empörung, nicht nur in und um Dallas? Nun, die Mavericks hatten ihre komplette Strategie auf den Transfer von Jordan ausgelegt. Um den 26-Jährigen herum wollten sie ihre Zukunft aufbauen, die Zeit nach Nowitzki. Jordan ist der beste Rebounder der Liga, einer der stärksten Abwehrspieler mit reichlich Offensivpotenzial. Mit ihm im Zentrum hätten sie weitere Stars anlocken können und wären auf absehbare Zeit ein Titelkandidat geblieben. Nun rauschen sie wohl ans Tabellenende.

Denn weil Jordan ja sein Wort gegeben hatte, bemühten sich die Mavericks gar nicht mehr um einen Plan B, um Ersatz. Und nun ist kein brauchbarer Center mehr auf dem Markt, selbst die Pläne C, D, E haben sich zerschlagen - die Mavericks sind bei Plan Z angelangt. Am Freitag wurde als Jordan-Ersatz ein gewisser Zaza Pachulia, 31, verpflichtet, bislang Bankdrücker bei den Milwaukee Bucks.

Jordan ist nun der Bösewicht in Texas, seinem Heimatstaat. Dabei hat er nicht mal um mehr Geld gepokert; aufgrund der fehlenden Einkommensteuer in Texas wären genauso viele Dollars auf seinem Konto gelandet, wenn er nach Dallas gewechselt wäre. Er hat wohl eher gezweifelt, ob er den Erwartungen gerecht wird, nachdem Mavericks-Boss Mark Cuban den Wechsel so triumphal verkündet hatte. Und die Los Angeles Clippers nutzten das, um ihn im tatsächlich letzten Moment noch einmal umzustimmen.

Das Opfer in dieser Geschichte ist nicht Cuban, der gerade tobt wie der tasmanische Teufel. Es ist Dirk Nowitzki, der immer Wort gehalten und sich bei seiner jüngsten Vertragsverlängerung weit unter Wert verkauft hat, um seinem Klub Spielraum zu verschaffen für die Verpflichtung von Spitzenspielern; um selber noch eine Chance auf den NBA-Titel zu haben. Die ist nun vertan in Dallas. Doch während dort alle schimpfen, hat Nowitzki bislang noch kein böses Wort über Jordan verloren.

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