Kommentar:Weißwurst und Visionen

Januar ist der wichtigste Monat für den alpinen Skisport. Doch auch bei den Klassikern wie Wengen, Kitzbühel oder Schladming zeigt sich: Die Sparte steht vor einem Wendepunkt, der Weltverband kommt nur in kleinen Schritten voran.

Von Johannes Knuth

Wladimir Klitschko wird kommen, Niki Lauda auch. Arnold Schwarzenegger zu 99 Prozent, das wird in Kitzbühel in diesen Tagen analysiert wie bei einer Hochrechnung vor der Bundestagswahl. Wer in Österreich prominent ist (oder sich dafür hält), lässt sich am Wochenende am Hahnenkamm blicken, bei der Weißwurstparty, beim Super-G (in dem Aksel Svindal gewann und Andreas Sander Achter wurde), der Abfahrt, beim Hummeressen. In Kitzbühel gibt es längst auch einen Markt für das Drumherum, die Karten für die Weißwurstfete waren flott vergriffen (145 Euro pro Ticket, Würste, Weißbier und Musik inklusive), die 4500 VIP-Tickets sowieso, die Karte für 3600 Euro. Die Organisatoren hätten 1000 weitere verkaufen können, berichteten die Salzburger Nachrichten. Das Gelände für den VIP-Tempel sei dafür nur leider zu klein.

In Kitzbühel sind sie immer etwas entrückt, alles ist größer, auch die Problemlage. Zu wenig Platz für die Promis. Weißwürste für 145 Euro.

Der Januar ist der wichtigste Monat für den alpinen Skisport und seinen Weltverband Fis. Es ist der Monat der Klassiker, Wengen, Kitzbühel, Schladming, die ihre Kraft auch daraus ziehen, dass sie schon immer da waren. Aber sonst? "Die Sportindustrie steht vor einem Wendepunkt, nachhaltiges Wachstum ist künftig das Privileg einiger weniger Premium-Segmente", berichtete die Beratungsfirma PwC zuletzt. Jüngere Zuschauer schalten lieber auf digitalen Kanälen ein, wo der Sport mit einer Welle an Spaßformaten konkurriert. Fußball, Basketball und E-Sport haben da noch die besten Chancen, Wintersport und Olympia die schlechtesten. Der Skisport frisst nicht nur seine Kinder, etwa durch Kreuzbandrisse und hohe Kosten im Nachwuchs. Viele Junge schauen gar nicht mehr zu.

Parallel-Rennen als Show? Das wirkt auch oft beliebig

Die Fis hat die Lage erkannt, aber sie kommt nur in kleinen Schritten voran. Die alpine Kombination, der Zweikampf aus Slalom und Abfahrt, wird wohl bald aus dem Programm genommen: zu langatmig, zu wenige Fahrer, die noch beides können. Stattdessen fahren sie vermehrt kurze Parallelrennen, zwei Fahrer, der schnellere kommt eine Runde weiter, das ist leicht konsumierbar. Aber so, wie die Fis die Rennen zuletzt präsentierte, wirkte es beliebig: Mal ähnelt der Kurs einem Riesenslalom, mal einem Slalom, mal war es ein Einzelrennen, versteckt unter der Woche, mal ein Teamevent, der bei den Winterspielen im Februar erstmals aufgeführt wird. Es geht halt vor allem um neue Reize im Kino des modernen Kommerzsports, in dem jeder noch mehr Bilder in die Welt sendet - und doch immer weniger gesehen wird. Oder erinnert sich irgendjemand daran, wer den Parallelslalom der Männer im Dezember in Alta Badia gewonnen hat?

Als Gian-Franco Kasper 1998 ins Präsidentenamt gehoben wurde, versprach der Schweizer, "die in ihrer Tradition erstarrte Fis" zu modernisieren. Bald gab es Sprintwettbewerbe und Massenstarts, Kasper träumte davon, die Langläufer auf der Formel-1-Piste in Monaco langlaufen zu lassen. Aber viele Vorschläge verpufften in staubigen Fis-Gremien, in denen viele Verbände sich selbst am nächsten sind. Kein Biotop, in dem Ideen erblühen. Der bekannteste Vertreter dieser These ist übrigens Kasper, 73. Der Neuen Zürcher Zeitung sagte er zuletzt: "Große Visionen haben wir im Prinzip nicht."

Vielleicht liegt die Lösung ja weniger im Neuen, sondern in der Verschlankung des Bekannten. Eine schlankere, professionelle Geschäftsführung in der Fis. Ein schlankerer Kalender, ohne Kombination, aber auch ohne Parallelrennen, dafür mehr Platz für Slalom, Riesenslalom, Abfahrt; das gefiele auch den müden Athletenkörpern. Auch die Klassiker leben ja von der Verknappung, davon, dass es das nur einmal im Jahr gibt: Adelbodens Steilhang, Wengens Naturbahn, Kitzbühels Streif. Und die Weißwurstparty für 145 Euro.

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