Kommentar:Wasserglas gegen Salzstreuer

Das Pokal-Halbfinale wird zum letzten, großen Duell zwischen Bayern München und Borussia Dortmund in der Ära Jürgen Klopp. Sein Nachfolger Thomas Tuchel hat die schwere Aufgabe, das Duell der Rivalen neu zu beleben.

Von Christof Kneer

Spätestens wenn sie in der nächsten Saison aufeinandertreffen, werden sich die zwei Männer wieder an die beiden gemeinsamen Abende erinnern. Sie werden sich erinnern, wie sie in einer Münchner Bar so lange die Gläser hin- und hergeschoben haben, bis der Kellner sich nicht mehr an ihren Tisch getraut hat. Sie werden sich erinnern, dass sie alte Barcelona-Spiele noch mal nachgecoacht haben, das eine Wasserglas war Iniesta, das andere war Messi. Der Salzstreuer war ein Spieler von Manchester United. Vielleicht werden sich die Männer aber auch fragen, ob sie den anderen damals zu tief in den eigenen Kopf hineingelassen haben. Weiß Thomas Tuchel jetzt, mit welcher Strategie man Pep Guardiola quälen kann? Und weiß Guardiola, mit welcher Strategie man Tuchel am besten zurückquälen kann?

Pep Guardiola und Thomas Tuchel halten viel voneinander. Für Tuchel ist Guardiola die ultimative Referenzgröße; für Guardiola ist Tuchel der Trainer, der ihm am ehesten gefährlich werden kann. Die beiden finden sich cool. Sie würden gerne häufiger mit Espressotassen am perfekten Gegenpressing forschen und aus Zahnstochern Rauten mit abkippenden Sechsern legen. Aber sie wissen: Das geht jetzt nicht mehr.

Thomas Tuchel wird Trainer beim BVB, das ist dort, wo man eher nicht der Geistesbruder des Trainers in München sein sollte. Für Tuchel muss es aber kein Nachteil sein, als pep-affin zu gelten, in seinem Fall ist das eher ein Versprechen. Aus Mainz ist Tuchel nicht für Unterwerfungsgesten bekannt, er hat nie einen Diener gemacht, wenn die großen Klubs vorbeikamen. Tuchel hat sich schon in Mainz getraut, jene vorauseilende Demut zu kritisieren, die viele Kollegen als Taktik mit nach München gebracht haben. Tuchel hat aus Bayern-Spielen stets ein persönliches Staatsexamen gemacht, er hat - wie Pep - 1000 Pläne gewälzt, er hat den Spielaufbau Richtung van Buyten lenken oder van Bommel von vorne und hinten anlaufen lassen.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Bundesliga das Duell Bayern vs. Dortmund braucht. Es ist vor allem Klopps Verdienst, dass beide Teams an-, mit- und gegeneinander emporgewachsen sind und auf diese Weise den ganzen Betrieb gezogen haben, bis hin zu einem gemeinsam erstrittenen WM-Titel. Das wäre jetzt die Kleinigkeit, die sich die Liga von Tuchel erhofft: Er soll eine vom Klopp'schen Heißdüsen-Fußball doch etwas erschöpfte Elf mit raffinierterem, aber genauso leidenschaftlichem Coaching wieder erfrischen und, am besten gemeinsam mit dem Gladbacher Professor Lucien Favre, der Liga wieder ein bisschen Mut zum Widerstand geben.

Das ist nicht wenig verlangt von einem Trainer, der vorher in Mainz war. Aber der Trainer, der im Moment den FC Bayern trainiert, traut ihm das zu.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: