Kommentar:Verkehrte Welt

Die Golf-Olympiasieger von Rio de Janeiro dürfen automatisch bei den nächsten vier Majors antreten. Damit macht der Golfsport Olympia zu einem Qualifikationswettkampf und zeigt: Golf und Olympia - das passt nicht zusammen.

Von Joachim Mölter

Was war schnell noch mal der Grund, warum das Internationale Olympische Komitee (IOC) den Golfsport wieder ins Programm seiner Sommerspiele aufgenommen hat, nachdem es 112 Jahre lang ganz gut ohne ihn ausgekommen war? War es wirklich nur der Wunsch, auch Golfprofis ins Treffen der weltbesten Athleten einzubeziehen? Oder ging es eher darum, den Event mit prominenten, glamourösen Figuren zu schmücken, wie dem Amerikaner Tiger Woods, dem ersten Dollar-Milliardär des Sports, der aber nun dummerweise im Sommer in Rio gar nicht abschlagen wird wegen seiner andauernden Verletzungs- und Formkrise? Blendete das IOC die Aussicht auf zahlungskräftige Sponsoren, welche die Golfer gerne nach sich ziehen? Oder war das Argument der Lobbyisten ernst gemeint, den elitären Sport für die Massen populär zu machen? Da könnte man ja wohl auch gleich den Versuch einer Quadratur des Balles unternehmen.

Im Grunde ist's aber auch egal, warum die Golfer wieder dabei sind; sicher ist, dass ihr Olympia-Comeback skeptisch gesehen wird, selbst innerhalb der Szene. Nicht nur, weil sich bei den Spielen ja die Jugend der Welt treffen soll, wie es so schön heißt, und Golf nicht gerade der Sport ist, der einem als erster einfällt, wenn von Jugend die Rede ist. In diesen Tagen hat die Golfszene zudem ein, nun ja, eigenwilliges Verständnis von der Wertigkeit Olympias durchblicken lassen.

Wenige Tage vor Beginn der US Masters in Augusta ist nämlich bekannt geworden, dass die Olympiasieger im Golf im nächsten Jahr bei allen Major-Turnieren mitmachen dürfen, also den wichtigsten Veranstaltungen dieses Sports: Bei den Männern sind das die US Open, die British Open, die PGA Championship und eben das Masters; bei den Frauen kommen zu den drei erstgenannten Turnieren die ANA Inspiration und die Evian Championship dazu.

Während für Athleten fast aller anderen Sportarten die Teilnahme an Olympia das höchste, größte, ultimative Ziel ist, für das sie sich jahrelang durch allerlei Selektionen quälen, degradieren die Golfer - bewusst oder unbewusst - Olympia kurzerhand zur Qualifikation für ihre eigenen Spitzenwettbewerbe. Quasi zur Durchgangsstation für höhere, größere, ultimative Ehren. Ist das nicht eine verkehrte Welt?

Sicher gibt es auch unter Golfprofis die Sichtweise eines Martin Kaymer, der gerade versichert hat, dass die Sommerspiele für ihn an oberster Stelle stehen: "Ein Major kann man viermal im Jahr gewinnen, eine Olympiamedaille aber nur einmal alle vier Jahre." Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass Golf und Olympia nicht recht zusammenpassen.

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