Kommentar:Unterhaltung schlägt Niveau

Kommentar: Naldo feiert sein 2:2 gegen Eintracht Frankfurt.

Naldo feiert sein 2:2 gegen Eintracht Frankfurt.

(Foto: AP)

Die Bundesliga verabschiedet sich mit einem fulminanten Spieltag in die Winterpause. Jeder kann gerade jeden schlagen. Bis auf die Bayern. Für den Fan ist das kurzfristig toll - doch eigentlich haben Liga und Vereine ein anderes Ziel.

Kommentar von Sebastian Fischer

In der Zentrale der Deutschen Fußball Liga in Frankfurt wird täglich sehr viel über die Bundesliga nachgedacht, und kurzzeitig soll im vergangenen Sommer auch ein verwegenes Gedankenexperiment eine Rolle gespielt haben. Was wäre eigentlich, wenn wir anstatt uns ständig über sogenannte Klub-Koeffizienten und die Uefa-Fünfjahreswertung sorgen, uns auf den Wettbewerb in der Bundesliga konzentrieren? Wenn wir uns nicht verrückt machen lassen von Engländern, die mit Milliarden fremder Investoren unaufhaltsam wachsen und ferne Märkte erobern, solange die Kernzielgruppe in Deutschland mit ihrem Fußball zufrieden ist und gut unterhalten wird?

Ein halbes Jahr später ist die Bundesliga gerade so heftig für ihre scheinbare Niveauarmut kritisiert worden wie lange nicht mehr. Dortmund und Leipzig sind aus der Champions League ausgeschieden, Köln, Berlin und Hoffenheim aus der Europa League, die Hertha hat dort gar gegen Östersund verloren. Nur der FC Bayern steht im Champions-League-Achtelfinale und wird am Ende dieser Saison zum sechsten Mal in Serie deutscher Meister werden, mindestens zehn Punkte wird der Vorsprung des Tabellenführers vor seinem sogenannten Verfolger auf Platz zwei in der Winterpause betragen. Dortmund, das dem eigenen Anspruch gemäß eigentlich dieser Verfolger ist, könnte bestenfalls als Tabellen-Dritter in die Rückrunde gehen.

Dortmund ist ein recht anschauliches Abbild für die Lage der Liga. Vor ein paar Jahren noch auf den Covern internationaler Fußball-Magazine gefeiert wie die nächste aufregende Boy-Band, wirkte der BVB zuletzt wie ein alternder Schlagersänger, der zu Playback von Stadion zu Stadion tourt, der sich von seinem so aufregenden wie innovativen und durchdachten Stil der vergangenen Jahre zu verabschieden scheint. Die sportlich Verantwortlichen haben in Peter Bosz zunächst einen typisch niederländischen Trainer verpflichtet und sich anschließend gewundert, dass er auf einem typisch niederländischen 4-3-3-System beharrte. Nun haben sie in Peter Stöger einen Trainer verpflichtet, der zwar wie einst Jürgen Klopp gerne Kappen aus dem Fanshop trägt, dessen defensive Fußballidee aber an die in Vergessenheit geratene Zeit vor Klopp erinnert. Beim 2:1 gegen Hoffenheim spielte der BVB zumindest zu Beginn derart passiven Fußball, wie es ihn im Westfalenstadion seit Jahren nicht mehr zu bestaunen gab. Und dass Dortmund schon im Sommer den aufregenden Hoffenheimer Julian Nagelsmann verpflichten darf, hat dessen Arbeitgeber gerade ausgeschlossen. Andererseits: Die Fans singen jetzt ja vorerst zufrieden Stögers Namen.

Es wirkt gerade tatsächlich so, als hätte sich die Liga im Sommer auf dieses Experiment verständigt, fortan den Fortschritt zu verlangsamen. Wäre das so, könnte man ein Lob aussprechen: Ziel erreicht! Denn wer am 17. Spieltag unterhalten werden wollte, durfte ja zufrieden sein. In keinem Stadion gab es klare Sieger, jeder scheint gerade jeden schlagen zu können, selbst die traurigen Kölner haben erstmals gewonnen, und zwar gegen die ambitionierten Wolfsburger. Der Fußball ist zwar nicht überall anspruchsvoll, eher fehlerhaft, aber dafür wild. In Augsburg, Bremen, Frankfurt und Dortmund fielen Tore unmittelbar vor dem Schlusspfiff.

Doch die Fan-Fantasie von einer ausgeglichenen Liga ist nur zum Teil wahr. Das Bild hat zwei Schönheitsfehler. Erstens spielt ja der FC Bayern noch mit - und ist mit der an Punkten schwächsten Hinrunde seit sechs Jahren so unerreichbar wie eh und je. Und zweitens hat sich die Liga natürlich nicht auf ein entsprechendes Experiment geeinigt, im Gegenteil. Die Bundesliga will wachsen, die Vereine wollen Weltmarken werden, Fans in China erreichen, manche würden sich gerne für Investoren öffnen. Doch diesen Ansprüchen hält die Wirklichkeit gerade nicht unbedingt stand. Eine in Europa chancenarme, ausgeglichene Liga mit 16 Mannschaften (Köln ist abgestiegen, die Bayern Meister) lässt sich nämlich höchstwahrscheinlich nirgends besonders erfolgreich vermarkten.

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