Kommentar:Tonnenweise Sonnencreme

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Nach der Party von London steht die Leichtathletik vor unbequemen Zeiten. Die Weltmeisterschaft 2019 in Katar ist umstritten - nicht nur wegen der schwierigen klimatischen Bedingungen.

Von Johannes Knuth

Michael Johnson hatte eine Idee, eine gar nicht so schlechte dazu: Der Leichtathletik-Weltverband IAAF möge allen Fans, die in London die WM mit außergewöhnlicher Stimmung begleitet hatten, rabattierte Karten, Flüge und Hotels verschaffen, schlug der emeritierte 400-Meter-Großmeister jetzt vor. Damit die Atmosphäre beim kommenden WM-Gastgeber Doha nicht verkümmert. Katar verfügt ja über viele Sportevents, nicht aber über das Publikum, um sein knapp 50 000 Zuschauer fassendes Stadion für die Dauer einer handelsüblichen WM zu befüllen. Sollte die IAAF Johnsons Idee aufgreifen, kann sie den bleichen Touristen von der Insel freilich auch gleich tonnenweise Sonnencreme beschaffen. Die WM steigt zwar nicht im August, sondern Ende September. Aber selbst dann klettern die Temperaturen in Doha auf lauschige 38 Grad.

Johnsons Idee war jedenfalls nicht nur nicht ganz schlecht, sondern auch stimmig: Warum nicht gleich die Fans einkaufen für eine WM, die seit jeher vom Verdacht umschwirrt wird, sie sei erkauft? Verbrieft ist, dass Doha der IAAF ein Sponsoringpaket über 30 Millionen Euro schnürte, bevor die WM vergeben wurde, ganz legal. Auf dem Hof des einstigen kenianischen Verbandschefs tauchten nach Katars Kür plötzlich zwei Geländewagen auf, gestiftet von den Herren aus dem Emirat. Weniger legal. Aber bestimmt Zufall. Vor der Wahl des Gastgebers 2017, die Katar gegen London verlor, sollen braune Umschläge die Besitzer gewechselt haben, ebenfalls gesponsert von Dohas Delegation. Das behauptete Ed Warner, damals Chef des britischen Verbands. Er stützte sich auf Aussagen von: Sebastian Coe, damals IAAF-Vize. Coe sagte den IAAF-Ethikern, er erinnere sich nicht daran. Fall erledigt.

Der FC Bayern? Wirbt jetzt auf den Trikots für Dohas Flughafen

Der Lord ist mittlerweile längst Chef der IAAF, und als dieser durfte er die "merkwürdige Entscheidung" (Warner) pro Katar in London erneut moderieren. Klar, wenn es Stimmenkauf gab, müsse man die Vergabe korrigieren, sagte Coe. Aber sein Sport müsse halt auch neue Märkte erschließen. Wobei nicht ganz klar ist, welche Märkte das sein sollen: Die nicht vorhandenen Zuschauer? Andererseits ist Coe vom Fach. Er machte mit seiner PR-Firma glänzende Geschäfte, als die Europaspiele vor zwei Jahren in Aserbaidschan aufgeführt wurden, dem Reich des Alleinherrschers Ilham Alijew.

Dem eigenen Ethos treu bleiben, zugleich aber mitverdienen - nicht nur die Leichtathleten haben sich tief in diesem Konflikt verheddert. Katar ist politisch isoliert, weil es angeblich Terrorismus finanziert. Strafermittler durchleuchten die Vergabe der Fußball-WM 2022. Auf den WM-Baustellen leiden und sterben Arbeiter. Gleichzeitig löst der Emir von Katar, der Nebenjob auch Paris Saint-Germain unterhält, einen Fußballspieler für 222 Millionen Euro aus. Nicht mehr unsere Welt, sagen sie beim FC Bayern, wegen der irren Ablöse. Gleichzeitig gab der Klub jetzt in Doha bekannt, dass er mit dem örtlichen Flughafen auf seinen Trikot-Ärmeln wirbt. Öffentliche Kritik am Emirat, eine wirksame Form des Protests? Fehlanzeige. Der Rekordmeister wirbt lieber offensiv für jene neue Welt, zu der er nicht mehr gehören will.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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