Zu den unsympathischen Eigenheiten von Ticket- und Reiseportalen im sowieso schon unsympathischen Internet gehört die Methode, beim Kunden Angst, Hektik und Torschlusspanik zu schüren. "Für dieses Hotel interessieren sich gerade 47 weitere Leute"; oder: "letztes Zimmer"; oder: "weniger als vier Plätze übrig", so lauten die gängigen Parolen. Nur Menschen mit stahlharten Nerven widerstehen dieser psychischen Belastung, die anderen sitzen später in einem menschenleeren Flieger oder schlafen in einem miesen Hotel mit ranzigem Teppichboden. Sie wissen dann, dass sie einem Trick aufgesessen sind.
Exemplarisch ließ sich die Methode jetzt wieder auf der Seite eines Händlers studieren, der auch Eintrittskarten für Fußballspiele verkauft. An diesem Montagvormittag hieß es dort, dass - und zwar jetzt! in diesem Moment! - "258 andere Leute" die Ticketangebote zum Spiel von Bayer 04 Leverkusen gegen AS Monaco am Mittwochabend in der Bayarena studierten. Dazu wurde die Eilmeldung eingeblendet, dass "weniger als ein Prozent" der Karten noch übrig seien. Doch diesmal ist garantiert keiner auf diese Bauernfängerei reingefallen.
Abgesehen davon, dass bis zu diesem Montagnachmittag tatsächlich erst 21 000 von 28 887 Karten verkauft waren, findet bei diesem Spiel garantiert kein Wettrennen um Eintrittskarten statt. Eher ist es so, dass selbst die Bayer-04-Freunde am Mittwoch das Stadion großräumig meiden werden, damit ihnen niemand Gratistickets für den Besuch eines Spiels mit dem Prädikat "dramaturgisch besonders wertlos" aufnötigt.
Es wird ja immer von der Europacup-Belastung für die Spitzenteams gesprochen, aber in dieser Woche ist der Europacup für Bayer Leverkusen und die fünf weiteren Teilnehmer aus der Bundesliga keine Belastung, sondern eine Belästigung. Dieser letzte Vorrundenspieltag in der Champions- und der Europa-League erfüllt für die deutschen Klubs eher den Tatbestand der Zeitverschwendung.
Keiner kann mehr etwas gewinnen, keiner mehr etwas verlieren, fast jeder hat seinen Vorrundenplatz unveränderlich eingenommen, und so werden aus Festspielen Testspiele: Als Gegner werden zwar die berühmtesten Größen des Weltfußballs aufgeboten - Barcelona, Real und Atletico Madrid -, aber das vierte Nikolaus-Turnier des TV 1867 Bad Sobernheim in der Dr.-Werner-Dümmler-Halle hat mehr Wettkampf und Pokalglanz zu bieten. Die Fernsehsender, die die Spiele übertragen, werden natürlich trotzdem ihren Sirenengesang anstimmen: Ronaldo, Messi, Griezmann ... Seien Sie dabei, verpassen Sie nichts, so werden sie locken.
Nein, danke, diesmal nicht.
