Fußball-EM:Männer, die Gefühle zeigen? Inakzeptabel!

Poland v Portugal - EURO 2016 - Quarter Final

Portugals Adrien Silva: Kein Werbegesicht im Sinne der Uefa

(Foto: REUTERS)

Schließlich soll bei der EM niemand den Eindruck bekommen, es gäbe etwas Wichtigeres als Fußball. Deswegen stören auch Kinder auf dem Platz.

Glosse von Benedikt Warmbrunn

Die Szene ist tatsächlich beunruhigend. Da rennt eine Person über den Platz, die kein Spieler ist, kein Trainer, kein Schiedsrichter, nicht einmal der dauerrennende Arzt Müller-Wohlfahrt, und keine einzige Sicherheitskraft kann diese Person stoppen, schlimmer noch: Keine einzige Sicherheitskraft versucht sie zu stoppen. Allein Gareth Bale, der durch seine Sprintfähigkeiten so teuer gewordene walisische Fußballer, folgt ihr, in einem gemütlichen Schritt allerdings, wirkliche Strenge ist seinen Bewegungen nicht anzumerken.

Wäre Bale wirklich streng, wenigstens als Vater, dann gäbe es jetzt aber die ganze Diskussion auch nicht; als strenger Vater hätte Bale am vergangenen Freitag niemandem hinterhertraben müssen, als strenger Vater hätte er seiner nicht einmal vier Jahre alten Tochter Alba Violet ja ganz sicher nicht erlaubt, dass sie um 23 Uhr noch nicht im Bett liegt, sondern über den europameisterschaftlichen Rasen von Lille rennt, und keine Sicherheitskraft rennt ihr hinterher.

Es hat ein paar Tage gedauert, aber nun hat sich der Verband Uefa, der Erziehungsbeauftragte des europäischen Fußballs und in moralischen Fragen daher unfehlbar, dieses unverantwortlichen Vorfalls angenommen. Turnierdirektor Martin Kallen räumte am Dienstag zwar ein, dass es "immer süß" sei, "wenn die Kinder auf dem Platz spielen". Aber, erinnerte er streng, "es ist eine Europameisterschaft und zumindest auf dem Rasen keine Familienveranstaltung". Deswegen, bitte schön, möchte die Uefa keine Kinder mehr auf den Spielfeldern der EM in Frankreich sehen.

Französische Rasenhüter mussten entsetzt sein

Kallen unternimmt dadurch einen verzweifelten Versuch, das Image seiner Europameisterschaft noch zu retten. Die Kinder auf den Plätzen Frankreichs, das waren ja Bilder, die der Uefa nicht gefallen konnten. Bilder, die das Versagen der Sicherheitskräfte dokumentieren. Bilder, die für Leichtigkeit und unverstellte Freude stehen, für etwas ganz anderes also als dieses Turnier in seinen meisten Momenten. Und Bilder, die alle französischen Rasenhüter entsetzen mussten. Denn hat schon einmal jemand erwähnt, welchen Schaden all diese Kinderfüßlein den ohnehin so ramponierten Grünflächen dieser EM zufügen können?

Auch dass die Nationalspieler in diesen Bildern als Männer auftreten, die zu ihren Gefühlen und Sehnsüchten stehen, kann die Uefa nicht akzeptieren. Dadurch sind sie ja schließlich keine austauschbaren Werbegesichter mehr, sondern Männer, die wissen, dass auch bei einer Europameisterschaft nicht alles so schrecklich ernst genommen werden muss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: