Kommentar:Sprachlos in Gelsenkirchen

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Sollte Schalke sogar die Europa League verpassen, fiele das auch auf den Manager Horst Heldt zurück. Dessen Position könnte zur Frage stehen, wenn es so weitergeht. Die Lage ist ernst.

Von Philipp Selldorf

Benedikt Höwedes war ziemlich einfallsreich, als er sich bemühte, Schalkes Auftritt beim 0:2 in Mainz fachlich ins Verhältnis zu setzen: "Das war kein Hochglanzfußball, das war kein Sahneschnittchen, das wir hier hingelegt haben", räumte er ein. Aber der Kapitän hielt auch den Hinweis für richtig, dass seine Mannschaft "nicht den größten Scheißfußball gespielt" habe. Die Fans, die Schalke begleitet hatten und sich nach der Partie zum zornigen Protest formierten, zogen ein anderes Resümee. Sie verlangten gar keine Sahnetore - geschweige denn Sahnetorten - oder ästhetisch wertvolle Hackentricks, sie wollten lediglich, dass ihre Mannschaft so kämpft und sich gemeinsam dem Ziel unterordnet wie die Mainzer. Womöglich hätten sie dann auch eine Niederlage ertragen. Aber die Schalker Elf ließ eben diese gemeinschaftliche Basis vermissen, sie zerfiel in Fraktionen und Alleingänger. Torwart Fährmann, selbst ein Schalke-Fan, war daher viel näher am Thema als Höwedes, indem er meinte: "Wenn wir spielerisch nicht glänzen können, dann müssen wir einfach mehr kämpfen und mehr laufen."

Bisher durfte das groteske Verletzungspech als mildernder Umstand bei der Bewertung der unsoliden Schalker Saison gelten. Kein Liga-Team hatte größere Personalnot, auch nicht die reichlich betroffenen Bayern und Dortmunder. Allein der monatelange Verlust des Stammtorwarts Fährmann und seines Stellvertreters Giefer kostete etliche Punkte. Doch das Argument der Besetzungsprobleme entfällt jetzt. Kein Team am 30. Spieltag hatte so eine prominente Ersatzbank wie Schalke in Mainz: Draxler, Boateng, Goretzka, Barnetta, Aogo, Meyer. Nutzen entstand daraus nicht.

Dass Schalke sich nun um die Dienste von Sami Khedira bewirbt, wird in der Branche als Ausdruck von Großmannssucht beurteilt. Aber lässt man die Polemik und begründete Einwände beiseite, ist es verständlich, dass sich die Verantwortlichen so verzweifelt nach einem Mann sehnen, der diese oft sprachlose Mannschaft strukturiert und antreibt. Der Trainer vermag das nur bedingt zu leisten, das erfährt nach Huub Stevens und Jens Keller auch Roberto Di Matteo. Letzterem gerät es zum Nachteil, dass es nicht so aussieht, als gehörte die feurige Kabinenrede zu seinen Merkmalen.

Die Lage für Di Matteo ist daher ziemlich ernst, Schalkes Angst hat reale Gründe. Die Verantwortlichen halten viel vom Trainer, doch ein Verpassen der Europa League würde das Volk nicht verzeihen, erst recht, wenn stattdessen der feindliche Nachbar BVB den Trostpreis gewinnen würde. Und wenn es um Di Matteos Posten ginge, dann stünde wohl auch Manager Horst Heldts Position in Frage.

© SZ vom 27.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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