Kommentar:Schutz-Debatte

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Skirennfahrer Matthias Mayer stürzt auf die vereiste Piste und bricht sich drei Brustwirbel - dieser Sturz führt mal wieder zu einer Debatte über die Sicherheit im Skirennsport. Als einer der wenigen trug der Österreicher den neuen Anzug-Airbag.

Von Johannes Knuth

Der Fahrer mit der Nummer 16 war gerade gestartet, als sich eine besorgte Stille über den Zielraum der Saslong in Gröden legte. Bald brach das Knattern des Rettungshubschraubers in die Stille hinein. Matthias Mayer, der Fahrer mit der Nummer 16, war nach rund einer Minute von einer Kuppe ausgehoben worden und auf die vereiste Piste geprallt. Der Abfahrts-Olympiasieger von Sotschi hatte sich den sechsten und siebten Brustwirbel gebrochen. Die wichtigste Antwort auf die drängendste Frage war schon bald gefunden: Der 25-Jährige wird wieder Skifahren können, vermutlich schon im kommenden Oktober.

Andere, drängende Fragen ließen sich am Wochenende nicht so leicht beantworten. Gut, der Airbag, den die Fahrer seit dieser Saison im Weltcup tragen dürfen, verrichtet wohl tadellos seinen Dienst. Er hatte am Samstag kleine Luftpolster an Schulter, Nacken und Brust aufgeblasen, die sich unter Mayers Anzug entfalteten, während der durch die Luft schoss; ein Chip hatte binnen Millisekunden kalkuliert, dass Mayer die Kontrolle über sein Fahrsystem verloren hatte. Dieser Mechanismus hatte vor der Saison Debatten stimuliert; manche Fahrer fürchteten, dass sich die Polster fälschlicherweise im Rennen aufblasen könnten. Andere wollten keine 1000 Euro ausgeben für eine Weste, die zwar mehr Schutz bietet als handelsübliche Rückenprotektoren, die aber offenbar (geringe) aerodynamische Nachteile mit sich bringt. Was zur nächsten Frage führte: Hatte der Airbag bei Mayer, der als einer von sechs der 63 Starter die Weste trug, Schlimmeres verhindert? Ja, befand Hans Pum, Sportdirektor im Österreichischen Verband. Wobei er anfügte: Mit letzter Sicherheit werde man das wohl nie beantworten können.

Der alpine Skisport ist längst nicht mehr der Risikosport, als der er einst gefürchtet war. Manche Fahrer beklagen, dass die echte Abfahrt verschwunden sei, so wie es ihre Vorgänger behaupteten und die Vorvorgänger auch. Man kann das als Romantik deuten oder als Verklärung. Es ist auf jeden Fall ein Segen, dass sie in einem Sport, in dem früher vereiste Heuballen die Pisten sicherten, Vorkehrungen installiert haben wie Netze, schnittfeste Unterwäsche und nun den Airbag. Letztlich sind die Kräfte, die auf die Fahrer wirken, unverändert mächtig. Wintersport, das lässt sich als finale, gesicherte Erkenntnis aus Mayers Sturz ableiten, ist eine Show der Geschwindigkeiten, für die ein Mensch eigentlich nicht geschaffen ist - und wovor ihn kein System vollumfänglich schützen kann. Das sollte man nie vergessen, auch als Zuschauer, der sich mal ärgert, wenn jemand langsamer fährt oder auf einer tückischen Abfahrtspiste nicht im Ziel eintrifft.

© SZ vom 21.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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