Kommentar:Schrammen statt Neuanfang

FILE PHOTO - TEAM SKY CYCLIST CHRIS FROOME CLEARED BY UCI IN ANTI DOPING INVESTIGATION

Toursieger im Zwielicht: Christopher Froome ist freigesprochen, der Zweifel aber bleibt.

(Foto: Bryn Lennon)

Sport, Banken, Autos: Überall, wo es ums große Geld geht, folgt auf einen Skandal die verbale Läuterung. Doch anders als in anderen Branchen müssen Sportler und Funktionäre keine echten Sanktionen fürchten.

Von Thomas Kistner

Es hat stets großen Unterhaltungswert, wenn rund um einen prominenten Dopingverdächtigen die Sportinstanzen zu mahlen beginnen. Dann ist, wie in jeder anständigen Film-Schmonzette, das Happy End meist festgelegt; im Kern geht es nur um die Spaßfrage, wie es das vereinigte Funktionärstum diesmal hinkriegen wird, dass der Problemkandidat am Ende halbwegs geläutert dasteht. Nur dann nimmt ja auch der betroffene Branchenzweig keinen allzu großen wirtschaftlichen Schaden.

Nirgendwo weiß man das besser als im Radsport. Er zählt zu den besonders dopinganfälligen Sportarten, weshalb in regelmäßigen Abständen (Festina 1998, Fuentes 2006, Armstrong 2012) ein vollständiger Programmabsturz zu besichtigen ist. Natürlich geht jeder Absturz mit einem heute schon ritualisierten Branchengeplänkel einher: vorgetragen von ehrenwerten Funktionären, die ja nur angetreten sind, um mit den kurz zurückliegenden schmutzigen Usancen aufzuräumen und ihren Sport in eine strahlende, dopingfreie Zukunft zu führen. Klar.

Auch der seit 2017 amtierende UCI-Boss David Lappartient hat sich als so ein scharfer Anti-Doping-Hund gebärdet. Verbal. Nun zeigt der Praxis-Test, dass sein Weltverband die Causa Chris Fromme auf die übliche Tour abgewickelt hat: Dem monatelangen Aussitzen (so lange macht man sich nicht zu angreifbar, weil alle Optionen offenbleiben) folgt ein jäher Beschluss im Sinne der Skandalvermeidung. Die paar Tage Kritik, die es für das Einknicken in Doping- und anderen Korruptionsfragen gibt, lassen sich locker aushalten. Sobald die Tour-Karawane über die TV-Schirme rollt, ist die Sache rasch vergessen. Lieber ein paar Schrammen, als der nächste Neuanfang.

So läuft das vielleicht in jeder Milliardenindustrie; bei Bankern, Autobauern, Sportverbänden. Hoffnungslos wird die Sache aber nur, wenn lediglich brancheneigene Instanzen ermitteln und urteilen dürfen. Während es also Banker oder Autobauer im Problemfall mit harten Strafermittlern zu tun bekommen, gibt es im dopingverseuchten Sportbusiness nur das hier: die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada. Sie ist keine unabhängige Instanz, sondern das Abziehbild der Sportindustrie, die sie finanziert und steuert. Die Wada ist das Instrument, mit dem der Sport etwas simuliert, das es ja schon im Kern niemals geben kann: Selbstkontrolle.

Diese Wada ist auf den letzten Drücker ins Boot der UCI gehüpft; Froome darf anders behandelt werden als die Sünder vor ihm. Ist die Wada involviert, kann sich der Funktionär beruhigt zurücklehnen.

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