Kommentar:Saisonstart verschoben

Kaum jemand zweifelt noch an einem Transfer von Wolfsburgs belgischem Motor Kevin De Bruyne in die Premier-League zu Manchester City. Die ganze Vorbereitung ist damit für die Katz. Doch das interessiert den potenten Scheich-Klub wenig.

Von Klaus Hoeltzenbein

Man möchte niemandem zu nahe treten, aber der Vergleich sei doch erlaubt: Immer mehr gleicht der Fußball-Transfermarkt dem Handel mit Rennpferden und Windhunden. Gerade heute, da sich der Schwerpunkt des Gewerbes aus Italien, dem einstigen Mercato-Wunderland, in dem die Zitronen blühen, nach England verlagert hat, wo man nie so genau weiß, was der Regen mit einem anstellt. Ob ein Profi zurechtkommt, wenn er auf die Insel transferiert wird? Ob er auch auf seifigem Geläuf behende unterwegs ist, sobald die Atlantikstürme wehen?

Die Laufbahn-Prognosen stellen Experten. Erfahrungsgemäß irren Experten bei Pferd und Fußball natürlich nie, aber sie können unterschiedlicher Meinung sein. Manchmal liegen unverschämt viele Millionen zwischen solchen Expertisen. So hat der weltweit anerkannte Experte José Mourinho den Fußballer Kevin De Bruyne zweimal schon quasi als "nicht reif für die Insel" klassifiziert. Erst ließ ihn der Trainer des FC Chelsea an Werder Bremen verleihen, später gegen 25 Millionen Euro an den VfL Wolfsburg verkaufen.

Nur anderthalb Jahre später kommt nun ein zweiter Experte, Manuel Pellegrini, Trainer des Chelsea-Rivalen Manchester City, zu der Erkenntnis, dass ihm der flinke Belgier die schwindelerregend hohe Ablöse von 70 bis 80 Millionen Euro wert sein soll. Wer irrt? Wessen Expertise ist falsch? Fragen wie diese bekommt in London aktuell Mourinho gestellt - denn auch wenn er bei einer De-Bruyne-Rückkehr in die Premier League nicht automatisch widerlegt wäre, so hat er ihn wohl doch zu billig ziehen lassen.

Noch bleibt Zeit bis zum 31. August, um den Deal, an dem kaum jemand zweifelt, zu besiegeln. Dann schließt in Europa bis zum Winter das Transferfenster. Dann erst weiß jeder, welches Personal ihm bleibt, dann kann die Saison auf verlässlichen Fakten endlich beginnen. Inzwischen aber beeinflussen die Vorgänge um diesen Rekordtransfer bereits die deutsche Meisterschaft, De Bruyne, der als Motor der Volkswagen-Elf vorgesehen war, hat seine Unwiderstehlichkeit verloren, das zeigte auch das 1:1 in Köln. Geht er, muss Wolfsburg umplanen, die ganze Vorbereitung wäre für die Katz.

Hätte ManCity das alles nicht früher einfallen können? Wäre De Bruyne dann nicht billiger zu haben gewesen?

Es hat bekanntlich eine rätselhafte Tradition, dass die Engländer spät handeln, dass sie bis zur letzten Sekunde an ihren Kadern basteln. Und heute, da die reichste Liga der Welt immer reicher wird, scheint es inflationär egal zu sein, ob ein Profi teuer oder billig ist. 70 Millionen? 75? 80? Hauptsache, er kommt!

Die Marktgesetze lassen das zu, und von der Insel aus werden alle gut entschädigt. Aber auch ein bisschen irre.

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