Kommentar:Sahne ohne Kirsche

Kleffmann, Gerald

Das Masters in Augusta zieht nun ohne Tiger Woods weiter, aber das ist nicht schlimm. Der frühere Dominator hat den Stab an die neue Generation erfolgreich übergeben.

Von Gerald Kleffmann

Kaum jemand würdigt Johnny Goodman. Dabei war es der Golfer aus Omaha in Nebraska, der einen Platz in der Geschichte des Golfsports verdient hätte. Und das hat nichts mit seinem US-Open-Sieg 1933 zu tun. Alle Welt lobt ja immer Bobby Jones, den erfolgreichsten Amateur seiner Zunft. Jeder, der sich als Kenner der Branche zu verstehen gibt, weiß, dass Jones Gründer des berühmtesten Majors namens Masters ist, das stets Anfang April stattfindet. 1934 wurde der Traum des gelernten Anwalts wahr, als in einem Club in Georgia auf dem von ihm erschaffenen Meisterschaftsplatz das erste "Augusta National Invitational" abgehalten wurde. Vielleicht aber wäre dieser Start nie zustande gekommen, hätte Goodman 1929 bei der Amateur Championship Jones nicht eine Pleite zugefügt - und eine Kettenreaktion ausgelöst. Jones fühlte sich bestätigt, sich als Aktiver zurückzuziehen. Er kam beim selben Turnier mit einem Architekten ins Gespräch - so entstand die Idee des Masters, das einen Kurs bieten sollte, wie ihn die Welt noch nie gesehen hatte.

1997 siegte Woods in Augusta - Golf wurde ein anderer Sport

Mit Jones' Strahlkraft gedieh das Masters aus dem Stand zum Spektakel, bei dem jeder dabei sein wollte. Sein Mythos fußt - neben den manierierten, aber auch hypermodernen Besonderheiten des Augusta National Golf Club - darauf, dass die Allerbesten ihrer Epochen dieses Ereignis mit Leben füllten: Hogan, Snead, Palmer, Nicklaus, Player, Ballesteros, Faldo, Mickelson - sie alle veredelten ihre Karriere mit dem Erwerb des grünen Jackets. Selbst jene wie Greg Norman, die leer ausgingen, bewegten mit ihrem Scheitern; der Einbruch des Australiers vor dem fast sicheren Triumph steigerte seine Berühmtheit - und die des Platzes, der auf Namen keine Rücksicht nimmt. Tiger Woods weiß das längst auch.

Der frühere Dominator, Sieger der Jahre 1997, 2001, 2002 und 2005, ist neben Jones die zweite prägende Figur dieses Events. Er hat es so groß gemacht, dass es nun tatsächlich ohne ihn auskommt. Natürlich hätten sie sich über seine Teilnahme gefreut, aber Woods wäre mehr eine Kirsche auf der Sahne gewesen als die Sahne, die er früher stets war. Zu oft hat er zuletzt enttäuscht, zu sehr stellt er ein Rätsel dar; kaum jemand weiß, wie es körperlich wirklich um ihn steht.

Unstrittig indes sind seine Verdienste fürs Masters, die ihrerseits Kettenreaktionen auslösten. 1996 hatten nur neun Profis mehr als eine Million Dollar im Jahr verdient. Ein Jahr später siegte Woods, mit 21, als Jüngster jemals in Augusta - seitdem ist Golf ein anderer Sport. Jetzt, nach dem ersten Viertel der Saison 2017, hat die US PGA Tour schon 36 Preisgeld-Millionäre hervorgebracht. Woods zeigte, wie wichtig Athletik ist. Er lockte Sponsoren an und Firmen, die vorher nichts mit Golf zu tun hatten. Alles explodierte. Als Woods fehlte oder patzte, brachen die TV-Quoten ein. Doch nun hat sich die neue Generation profiliert. Das Masters, lange abhängig von Woods' Strahlkraft, funktioniert ohne ihn. Weil die Geldflüsse für alle stimmen. Weil Zuschauer, Medien, Sponsoren loyal an Bord bleiben. Weil jede Bahn für sich ein Spektakel ist und weiter faszinierende Stories bietet.

Gleichwohl ist der Kampf um die Masters Trophy heute ein anderer. Viele Jahre, etwa in der Ära Palmer-Nicklaus-Player, gab es oft Zweikämpfe wie beim Boxen. Es folgte: Woods gegen den Rest! Nun arbeiten - dank Woods - fast alle höchst professionell. Zig Spieler können siegen. Dustin Johnson, Branchenprimus zurzeit, zog verletzt zurück. Ein anderer wird also glänzen am Sonntag. Woods wird es nicht sein, ausgerechnet bei der 20-Jahr-Feier seines ersten Sieges in Augusta fehlt er, der Rücken. Dennoch wirkte er im Reinen mit sich, als er in Augusta entspannt vorbeischaute. Er weiß: Er hat den Stab erfolgreich übergeben.

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