Kommentar:Rhein ohne Flammen

Feurige Debatten, enge Derbys, sportlich relevante Rivalität - das ist im Rheinland erst mal vorbei. Die Rangliste wirkt wie zementiert: starke Leverkusener vor durchschnittlichen Gladbachern vor absteigenden Kölnern.

Von Ulrich Hartmann

Rudi Völler ist kein Wutbürger mehr - wobei, eigentlich führte er seine berühmten Tiraden ja nie als Bürger auf, sondern als Bundestrainer und später als Fußballmanager von Bayer Leverkusen. Insofern war Völler mal Wuttrainer und mal Wutmanager, aber immer einer der gefürchtetsten der Branche. Schiedsrichter und Fernsehmoderatoren waren nicht sicher vor ihm. Doch Völler hat sich längst beruhigt und gemäßigt. Nach Leverkusens Sieg gegen Borussia Mönchengladbach schwelgte er bezeichnenderweise mit seligem Lächeln: "Da war sehr viel Ruhe in unserem Spiel."

Die Wutwelle am Rhein ist weitergeschwappt, 40 Kilometer nordwestlich nach Mönchengladbach, wo der Manager Max Eberl in dieser Saison pfeifende Fans als "Arschlöcher" bezeichnete und bei kritischen Journalistenfragen zur mauen Borussen-Performance gern die Augen verdreht. Das empfindliche und leicht erregbare Gemüt im Rheinland passt zu Erkenntnissen einer Rechtsschutzversicherung, die in 'Deutschlands Großem Streitatlas' das Prozessrisiko im Westen auf Höchstniveau ansiedelt.

Am Samstagabend sind Völlers und Eberls Klubs aufeinandergetroffen. Das hätte unterhaltsam werden können, allerdings ist Völler ja nunmal neuerdings ausgeglichener als der Dalai Lama, und Eberl musste krank zuhause bleiben. So fand die Spielanalyse auf einem Niveau der Seelenruhe statt, gegen das jede Bibliothek einen Hexenkessel darstellt. Die fußballerischen Verhältnisse im Rheinland sind so klar wie lange nicht mehr, manche sagen gar: langweilig. Dafür können die soliden Leverkusener alleine allerdings gar nicht so sehr viel, denn die in der vergangenen Saison noch so starken Kölner drohen abzusteigen und die in der vergangenen Saison noch so arg durchschnittlichen Gladbacher sind in dieser Saison schon wieder arg durchschnittlich. Fast schon leidenschaftslos gestaltet sich die sonst so feurige Rivalität im Westen. Rhein in Flammen - das ist jetzt nur noch der Name eines jährlichen stattfindenden Großfeuerwerks.

Einer, der öffentlich nie in Rage gerät, ist Leverkusens bibeltreuer Trainer Heiko Herrlich, der nach einer Tirade wohl drei Rosenkränze beten müsste. Herrlich setzt bei seiner Arbeit statt auf Konfrontation auf Vertrauensbildung und scheut dabei weder davor zurück, Bibelsprüche zu verwenden noch kitschig anmutende Aphorismen. Ein Wandbild mit acht solcher Sinnsprüche zum Thema Gewinnen hat er 2007 mal im Schaufenster einer Kunstgalerie in der Münchner Maximilianstraße entdeckt. Das Bild hieß "Der Gewinner" und Herrlich hat sich die acht Leitsätze abgeschrieben. Seither gibt er sie auf jeder neuen Trainerstation seinen Spielen an die Hand, so auch im vergangenen Sommer den Leverkusenern.

"Der Gewinner hat immer einen Plan, der Verlierer immer eine Ausrede", lautet beispielsweise einer dieser acht Sätze und verdeutlicht einen maßgeblichen Ansatz von Herrlichs Philosophie: Verantwortung übernehmen und nie auf andere zeigen. In so eine Denkweise passen Wutreden gar nicht hinein. Wem das komisch vorkommt im stets emotionalen Rheinland: Herrlich ist gebürtiger Mannheimer.

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