Kommentar:Penaltys für die Ewigkeit

In der Eishockey-Bundesliga der Frauen wird in Memmingen ein Rekord aufgestellt. Bei den Männern reduzieren neue Regeln die Penalty-Wahrscheinlichkeit.

Von Johannes Schnitzler

Erinnert sich jemand an T.J. Oshie? Vor zwei Jahren stellte der Amerikaner vor den Augen der Welt einen spektakulären Rekord auf: Sechsmal trat der Stürmer beim olympischen Eishockeyturnier in Sotschi zum Penalty gegen die Russen an, immer und immer wieder. Oshie traf viermal und führte die USA gegen die Gastgeber zum 3:2-Sieg. Olympiasieger wurden die USA trotzdem nicht. Gold gewann Kanada.

Rekorde sind relativ. Manche werden mit unlauteren Mitteln erzielt wie die sieben Tour-Siege von Lance Armstrong oder sie sind l'art pour l'art, hübsch, aber nutzlos wie Oshies Endlosschleifchen. Selbst die 8,90 Meter von Bob Beamon oder die 6,14 Meter von Sergej Bubka, Rekorde für die Ewigkeit, wurden irgendwann übertroffen.

109 Zuschauer waren Zeugen des historischen Moments

Die Memmingen Indians und die Bergkamener Bären haben nun eine Bestmarke gesetzt, die die Zeiten überdauern könnte: 54 Penaltys brauchten beide Teams in der Frauen-Eishockey-Bundesliga, ehe Nationalspielerin Julia Seitz zum 4:3 für Memmingen traf. 109 Zuschauer waren Zeugen des historischen Moments. Der bisherige Rekord datierte vom 21. November 2010, als der EHC München und die Straubing Tigers 42 Schützen in das vermeintlich finale Duell schickten. Als Eric Meloche zum 4:3 für die Tigers traf, war es weit nach Mitternacht. Geschichte.

Meloche hat sich vor drei Jahren in den Ruhestand verabschiedet, und auch um Oshie muss man sich keine Sorgen machen. Auch wenn sein Ruhm verblasst ist, verdient er bei den Washington Capitals rund 4,2 Millionen US-Dollar pro Jahr. Um das Penalty-Schießen selbst allerdings ist es schlecht bestellt.

Die NHL, Referenzgröße im internationalen Eishockey, hat vor dieser Saison die Anzahl der während einer Verlängerung auf dem Eis erlaubten Feldspieler auf drei pro Team reduziert. Die Chancen auf einen Treffer sollen so steigen, Penaltyschießen seltener werden. Penaltyschießen gilt als Lotteriespiel.

Am Dienstag hat nun die Deutsche Eishockey Liga mitgeteilt, zur nächsten Saison nachzuziehen: "Wir erhoffen uns davon, dass die Spiele aufgrund der geringeren Anzahl von Spielern auf dem Eis noch attraktiver werden", sagt Karl-Heinz Fliegauf, Sportdirektor der Grizzlys Wolfsburg und Leiter der DEL-Sportkommission.

So schön Rekorde sind: Für die Fernsehleute sind sie ein zeitlich unberechenbares Risiko. Was haben sich die Experten nicht schon alles ausgedacht (und wieder verworfen), um Eishockey für das Fernsehen attraktiver zu machen: Größere Tore. Blinkende Pucks. Helmkameras. Auch das Penaltyschießen galt einmal als der ultimative Hingucker. Für Julia Seitz war es nach dem Spiel "ein schönes Gefühl, Rekordhalter zu sein", sie glaubt: "Das ist auch gut für das Frauen-Eishockey." Aber Rekorde sind eben relativ. Nur einen Tag danach spielte Memmingen wieder gegen Bergkamen, die Indians gewannen, diesmal in der regulären Spielzeit, 6:2. Zuschauer: 96.

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