FC Bayern:Pass mal auf, du Osterhase!

FC Ingolstadt 04 v Bayern Muenchen - Bundesliga; Gerland

Nachwuchschef beim FC Bayern: Hermann Gerland.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Hermann Gerland wird Chef der FC-Bayern-Jugend. Die Personalie trägt die Handschrift von Uli Hoeneß. Es ist ein spezielles Signal an die Bundesliga.

Kommentar von Claudio Catuogno

Wenn Hermann Gerland seine Spieler "Ihr Bratwürste" nennt, ist das nicht ausschließlich als Beleidigung zu verstehen. Gerland liebt Bratwürste. Als er seiner Frau einst zu erklären versuchte, wie es sich anfühle, dem damals noch sehr jungen Philipp Lahm beim Kicken zuzuschauen, schwärmte er: "Das ist wie eine wunderbare Bratwurst essen." Seitdem gilt Gerland als der Mann, der den späteren Weltmeister-Kapitän entdeckt hat. Gerland schätzt aber auch die Anrede "Ihr Osterhasen". Von Borut Semler, der von 2004 bis 2006 unter dem Trainer Gerland bei den Amateuren des FC Bayern ausgebildet wurde, stammt die Geschichte, wie Gerland damals Semlers Berufung in die slowenische Nationalelf aufnahm, die Semler selbst als etwas Großes erschien. Gerland sagte: "Glückwunsch, du Osterhase, du bist jetzt Nationalspieler von Taka-Tuka-Land."

Damals war Hermann Gerland Anfang 50, hatte eine Karriere als Verteidiger-Raubein beim VfL Bochum hinter sich sowie Cheftrainer-Stationen von Nürnberg über Bielefeld bis Ulm. Man tritt ihm nicht zu nahe mit der Feststellung, dass den modernen Fußball eher andere erfunden haben. Wenn Gerland mal einer Übungseinheit fernbleiben musste, bat er seinen Co-Trainer nachher gewiss nicht um eine Excel-Datei mit Leistungsdaten. Eher erkundigte er sich: "Und? Ham'se gekotzt?"

Dass dieser Gerland mal der berühmteste Jugendförderer des Fußballlandes werden würde, war da nicht abzusehen. Aber dann war er es, unter dessen Hege und Aufzucht spätere De-luxe-Osterhasen wie Lahm, Schweinsteiger, Badstuber, Müller oder Alaba vom Bayern-Nachwuchs bis in die erste Mannschaft hoppelten. Seine Prognosen, welches Talent zum Profi taugt und welches nicht, mögen manchmal radikal sein. Aber beim FC Bayern, wo sie ihn ehrfurchtsvoll "Tiger" nennen, haben sie die Erfahrung gemacht, dass die Vorhersagen meistens stimmen.

Inzwischen ist Hermann Gerland 62. Als Co-Trainer neben Louis van Gaal, Jupp Heynckes, Pep Guardiola und Carlo Ancelotti wirkte er immer ein bisschen wie das Maskottchen vom Dienst. Aus der Bayern-Jugend hat es derweil seit Jahren keiner mehr in die erste Elf geschafft, was nicht nur daran liegt, dass das Niveau bei den Profis stark gestiegen ist. Sondern auch daran, dass die Nachwuchsabteilung der Bayern zuletzt einer Schlangengrube glich. Viele Eitelkeiten, wenig Konzept. Als jetzt bekannt wurde, wer dem neuen Nachwuchsleistungszentrum des Klubs als Sportlicher Leiter vorstehen soll, wer also die Jugendarbeit in die Zukunft führen soll, da erschien die Entscheidung so überraschend wie zwangsläufig: Gerland.

Eine typische Hoeneß-Personalie

Was ihm gewiss niemand abspricht, neben seinem Auge für Talent: Authentizität. Das ist schon viel wert im Umgang mit jungen Menschen. Und trotzdem ist das schon ein spezielles Signal, welches der FC Bayern da aussendet in eine Liga, die sich an immer mehr Standorten durchakademisierte Nachwuchsschmieden leistet und die den Wettbewerb um Talente eher mit dem Laptop als mit der Lederhose bestreitet: Da ziehen die Münchner für 70 Millionen Euro die modernste Akademie von allen hoch - und machen dann einen Bauchmenschen zum Chef, der Untergebene gern "Ihr Bratwürste" nennt.

Die Personalie trägt die Handschrift eines anderen Bauchmenschen: Uli Hoeneß. Externe Lösungen sind Hoeneß tendenziell die zweitliebsten, Stallgeruch und "Bayern-Gen" sind ihm im Zweifel wichtiger als akademische Strategien. Gerland wird sich noch mal neu erfinden müssen - aber viele trauen ihm das zu. Und gegen die Anrede "Bratwurst" hat Hoeneß sowieso nichts einzuwenden, zumal er ja nicht nur wieder Bayern-Präsident ist, sondern auch ein sehr berühmter Wurstproduzent.

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