Fußball in Frankreich:Kamera aus bei Schimpftiraden

Fußball in Frankreich: Paris Saint-Germains Zlatan Ibrahimovic: Gesperrt nach Beschimpfungen

Paris Saint-Germains Zlatan Ibrahimovic: Gesperrt nach Beschimpfungen

(Foto: AFP)

Die Topklubs Paris und Marseille verweigern einem TV-Sender Interviews, weil dieser Beleidigungen aus dem Kabinengang öffentlich machte. Wer dem eigenen Image tatsächlich schadet, bleibt aber zu klären.

Kommentar von Thomas Kistner

Aufruhr in Frankreichs Ligue 1: Die Spitzenteams Paris St. Germain und Olympique Marseille haben in einer gemeinsamen Erklärung angekündigt, dem TV-Sender Canal Plus bis zum Saisonende keine Interviews zu geben. Nicht mal mehr der Busfahrer steht zur Verfügung, in und außerhalb des Stadions. Was ist passiert, was haben die bösen Fernsehleute bloß getan?

Sie haben berichtet. Canal Plus hat gesendet, was die Profis Zlatan Ibrahimovic (PSG) und Dimitri Payet (Marseille) jeweils nach dem Abpfiff ihrer Liga-Spiele im Kabinengang an Unflätigkeiten von sich gaben. Was ja häufig vorkommt in diesem Milliardenbusiness, das sich dem Publikum besonders gern als Bühne für Kameradschaft und Fairplay verkauft. Es gingen also derbe Beleidigungen über den Sender, Beleidigungen gegen Frankreich und die Schiedsrichterzunft. Die Disziplinarkommission des Verbands nahm die Dokumente als Videobeweis und verhängte Sperren: vier Spiele für Ibrahimovic, zwei für Payet.

Beide Klubs berufen sich nun - und das ist der interessanteste Teil der Fehde - auf Paragraf VIII.B des Fernsehvertrags mit Canal Plus. Der regelt, dass die Übertragungen ein positives Bild des Fußballs zeichnen müssen. Der Sender sei nicht befugt, dem Image von Fußball, Liga oder Klubs zu schaden. Zur Strafe nun der Boykott. Die TV-Gelder kassiert man aber natürlich gerne weiter.

Schade, dass die Klubs nicht auch den letzten Schritt tun und versuchen, ihr immerhin ja vertraglich verbrieftes Recht bei Gericht durchzufechten. Vermutlich haben die Justiziare rechtzeitig begriffen, was das bedeuten würde: dass die Klubs das Recht auf Manipulation der Wirklichkeit einklagen würden. Zudem ist der Kabinengang, anders als die Kabine, ein öffentlicher und gut verkabelter Raum, das weiß jeder, der mal dort war. Also zum Beispiel jeder Fußballprofi.

Überdies wäre hier zu klären, wer dem Image von Fußball und Klubs tatsächlich schadet: Kicker, die im Sichtfeld von Kameras ausrasten - oder Sender, die von ihrem Senderecht Gebrauch machen? Wirklich originell aber wäre der Versuch, vor Gericht eine Verpflichtung auf "positive Berichterstattung" durchzuboxen - also: Journalismus auf die Wahrheitsbeugung zu verpflichten.

540 Millionen Euro zahlt Canal Plus der Liga pro Jahr. Wer solche Beträge an Land zieht, versinkt vielleicht ganz gern in einem Allmachtsgefühl. Wenn aber am Mittwoch im Champions-League-Viertelfinale der FC Barcelona in Paris antritt, sollte die klubinterne Mattscheibe wieder glattpoliert sein. Denn die Europa-Union Uefa garantiert akkreditierten Medien freien Zutritt zum Pressegespräch. Das muss auch für Canal Plus gelten. Die Sache wird also peinlich für PSG. Oder zum Politikum für die Uefa.

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