Kommentar:Nur eine Frage der Diplomatie

Der Deutsche Eishockey-Bund trennt sich wie erwartet von Bundestrainer Cortina. Nach einer Anstandsfrist soll der Nachfolger bekannt gegeben werden. Auch dessen Name ist keine Überraschung mehr.

Von Johannes Schnitzler

Wenn Nachrichten-Agenturen Meldungen verschicken, sortieren sie ihr Angebot wie bei der Buntwäsche vor: Priorität eins (rot) bedeutet sehr wichtig, zwei (gelb) wichtig, drei (grün) ist noch na ja. Die Farbe kühlt sich immer weiter ab, je weniger Überraschung die Botschaft verspricht - Priorität fünf (violett) ist kalter Kaffee. Die Meldung, dass der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) die Zusammenarbeit mit Bundestrainer Pat Cortina Ende Juni beendet, kam am Mittwoch zuerst in Gelb. Wenig später trug sie Blau, Priorität vier. Wirklich heiß war die Neuigkeit nicht.

Dass der Kanadier Cortina seinen Posten, den "best job in hockey", wie er ihn während der WM in Prag noch nannte, nach drei Jahren räumen muss, konnte niemanden mehr überraschen, nicht einmal Cortina selbst. Der 50-Jährige, den DEB-Präsident Franz Reindl als "guten Coach" und "tollen Charakter" bezeichnet, hatte rückblickend nie eine faire Chance. 2012 übernahm er nach dem vergeigten Intermezzo mit Jakob Kölliker einen Job, der sicher nicht der beste in der Branche war, den niemand sonst machen wollte, schon gar nicht für das zur Verfügung stehende Gehalt. Cortina, damals noch Trainer beim EHC München, erledigte quasi zum halben Preis sogar noch die Arbeit des Sportdirektors mit.

Es geht jetzt mehr um das Arbeitsplatzprofil als um personelle Alternativen

Nun wird Cortina zum Opfer seiner eigenen Hilfsbereitschaft. Einerseits. Andererseits sprechen die nackten Zahlen gegen ihn: Dreimal hat das Nationalteam unter seiner Führung das WM-Viertelfinale verpasst und zudem, schlimmer, die Qualifikation für die Sotschi-Spiele 2014. Dass vor der WM die Rekordzahl von 23 Profis absagte, hatte er nicht zu verantworten. Es sprach in der Endabrechnung aber auch nicht für ihn. Platz zehn in Prag ermöglicht ihm einen anständigen Abschied. Gerettet hätte ihn auch das Viertelfinale nicht mehr.

Der unerschütterliche Loyalist Cortina sagt, der Präsident sei "immer aufrichtig" zu ihm gewesen. In der Tat ließ Reindl seit seinem Amtsantritt 2014 keinen Zweifel daran, dass er die Trennung von Uwe Krupp 2011 für einen "Fehler ohne Not" gehalten hat. Nach der Heim-WM 2010, sagt Reindl heute, hätte man ein Programm auflegen müssen, das die Euphorie über Platz vier nachhaltig genutzt hätte. Aber damals "hatten wir eben Spezialisten, die andere Dinge vorangetrieben haben". Der Präsident damals hieß Uwe Harnos.

Ob Krupp, Trainer der Eisbären Berlin, demnächst wieder übernimmt oder es zu einer Teamlösung etwa mit dem Düsseldorfer Christof Kreutzer kommt, ist für die Gremien von DEB und Liga lediglich eine diplomatische Frage: Es geht mehr um das Arbeitsplatzprofil denn um personelle Alternativen. Die Anstandsfrist für die Bekanntgabe eines Nachfolgers für Cortina ist knapp: Olympia-Qualifikation 2016, Heim-WM 2017 - viel Zeit bleibt nicht, um Reindls neue Programme mit Leben zu füllen. Der Konsenskandidat heißt Krupp. Der Neuigkeitswert dieser Nachricht changiert zwischen Eisblau und Schwachviolett.

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