Kommentar:Mutkos Aufstieg, Putins Signal

Im schwer zu durchschauenden Kreml ist ein Aufstieg zum Vize-Premier nicht immer mit Machtzuwachs verbunden. Manche Politiker sind nur elegant abgeschoben worden. Auch bei Mutko ist das möglich.

Von Johannes Aumüller

Ein bisschen Spott gehört selbst in Russlands Polit-Elite dazu. Und so ließ es sich der Premierminister Dmitrij Medwedjew nicht nehmen, den beförderten Kabinettskollegen mit einem besonderen Gruß willkommen zu heißen. "Let me speak from my heart", sagte der Regierungschef vor seinen obligatorischen Glückwunschworten - und parodierte so einen wenig ruhmreichen Auftritt des langjährigen Sportministers Witalij Mutko. Die Aufnahmen von dessen bemühtem Englisch-Vortrag sind in Russland längst ein Klassiker des Netzamüsements, im Vorjahr erhielt er gar von Staatspräsident Wladimir Putin zum Geburtstag ein englisch-russisches Wörterbuch. Aber der Spott schert Witalij Mutko nicht sonderlich, stattdessen genießt er lieber seinen Aufstieg. Denn fortan ist er nicht mehr als Sportminister, sondern als Vize-Premier mit den Zuständigkeiten für Sport, Tourismus und Jugend Teil der Regierung.

Es ist das nächste erstaunliche Kapitel in der langen Auseinandersetzung zum weitreichenden russischen Dopingsystem. Mutko war in den vergangenen Monaten und Jahren mindestens der politisch Verantwortliche für die aufgedeckte Manipulation. Mit seinem Verhalten während des Skandals entwickelte er sich zur internationalen Reizfigur. Zudem heißt es im Report der von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) eingesetzten unabhängigen Expertenkommission, dass er teilweise sogar konkrete Kenntnis von vertuschten Positivproben hatte, was Mutko bestreitet.

Und was ist die Folge? Nicht die Absetzung nach acht Jahren als Sportminister - sondern eine formale Beförderung. In der bisweilen schwer zu durchschauenden Kreml-Welt ist ein Aufstieg zum Vize-Premier nicht immer mit tatsächlichem Bedeutungs- oder Machtzuwachs verbunden, schon mancher Politiker ist so elegant abgeschoben worden. Und auch bei Mutko, dessen Bekanntschaft mit Putin auf gemeinsame Petersburger Tage in den Neunzigerjahren zurückgeht, ist die Lage mehrschichtig und nicht ganz eindeutig.

Für manchen Beobachter ist Mutko durchaus ein Verlierer der eigenen Beförderung, zumal er selbst am Donnerstag andeutete, womöglich sein Zweitamt als Präsident des nationalen Fußballverbandes abzugeben. Offenkundig ist die Überlegung der russischen Politführung, dass Mutko nach seinem Verhalten während des Dopingskandals nicht mehr das Gesicht des Sportsystems sein soll, weil sein Gesicht in der Welt als Synonym für Manipulation steht. Aber andererseits behält Mutko in seiner neuen Funktion weiter die Kontrolle. Und dass Wladimir Putin ihn überhaupt noch mit einem Regierungsamt mit Sportbezug betraut und noch dazu formal befördert, das lässt sich auch als Signal verstehen. Als ein Signal, das lautet: Let me speak from my heart, der Westen kann sich noch so sehr aufregen über das angebliche Dopingsystem, das interessiert uns nicht sonderlich.

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