Kommentar:Mit der Kraft des Gesetzes

Früher war das Kontrollnetz mehr als durchlässig. Doch nun nimmt sich die Justiz des Dopingproblems an und zwingt dem Sport eine neue Verantwortung auf.

Thomas Hahn

Was nun folgt, wird wieder eine echte Prüfung sein, und zwar nicht nur für die Radprofis, die am Samstag zur härtesten Rundfahrt der Welt aufbrechen.

Sondern auch für die Zuschauer und Berichterstatter, denen etwas daran liegt, dass der Sport nicht nur als inhaltslose Heldenindustrie dient, als Massenunterhaltung und einträgliches Geschäft für Lobbyisten.

Blinde Begeisterung funktioniert nicht mehr, zu klar ist der Blick in die Abgründe dieser Übung.

Und besonders die Deutschen dürften ins Grübeln geraten, wenn ihr Jan Ullrich demnächst doch seinem zweiten Sieg bei der Tour de France entgegensteuert, während spanische Staatsanwälte prüfen, ob Rostocks berühmtester Sohn tatsächlich Verbindungen zum Madrider Dopingring hatte.

Sofern sich die Sache nicht noch in letzter Sekunde erledigt. Dass die Zeitung El Pais Beweise in Aussicht stellt, die ein Startverbot Ullrichs rechtfertigen, wirkt wie die Aussicht auf eine Befreiung für alle, die Mühe haben mit der Glaubwürdigkeit dieses gefeierten Deutschen.

Vorerst aber blickt man einer Tour entgegen, bei der die Wahrnehmung geteilt sein muss: Einerseits gibt es das Geschehen auf den Etappen, andererseits die Initiative der spanischen Behörden.

Denn noch stehen genügend Männer auf der Startliste, die in der Affäre verdächtig sind. Wobei das Thema Doping dieser Tour ohnehin erhalten bleibt, schon wegen des einen oder anderen zweifelhaften Begleiters.

Die Tour glaubte, 2006 endlich vom Regiment des Amerikaners Lance Armstrong befreit zu sein, der mit kalter Gier sieben Mal in Serie das Gelbe Trikot nach Paris trug. Doch Armstrong ist wieder da.

Als Miteigentümer des Teams Discovery Channel und überführter Doper, der offiziell nicht als überführter Doper gelten darf.

Anregung für deutsche Politik

Wegen ihrer Zweideutigkeit wird das Publikum diese Tour nie wirklich erfassen können. Wer nicht zweifelt, vereinfacht, aber wer nur zweifelt, kann nicht mehr hingucken.

Und doch ist die Lage besser als noch vor neun Jahren, als Ullrich die Tour gewann. Damals hatten die Doping-Leugner noch leichtes Spiel, weil ein durchlässiges Kontrollsystem ihnen ein Alibi gab.

Mittlerweile nimmt sich vermehrt die Justiz dem Problem an und zwingt dem Sport eine neue Verantwortung auf. Dass die Tour-Organisatoren ihr Feld so streng und mit allen Mitteln prüfen, ist eine Folge der Polizeirazzien bei der Skandalrundfahrt 1998.

Nächste Woche fällt ein Gericht in Bordeaux das Urteil um französische Dealer mit dem früheren Radprofi Laurent Roux. Und das neue spanische Antidopinggesetz ist auf dem Weg nach dem Erfolg von Madrid.

Die Fälle sind ermutigend. Sie dürften auch eine Anregung für die deutsche Politik sein, die ein eigenes Antidopinggesetz so hartnäckig ablehnt, als wollte sie Jan Ullrich und anderen nationalen Fernsehsporthelden nicht unnötig im Weg stehen.

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